• Berlin
  • Ausgangsbeschränkung

Parks auf, Betriebe zu

Aktivisten demonstrieren gegen Ausgangssperre

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.
Betriebe schließen statt Ausgangssperre

In Berlin haben am Mittwochabend mehrere Hundert Aktivisten gegen die Corona-Politik der Bundesregierung demonstriert. Unter dem Motto »Close Factories Not Parks« zogen sie vom Neuköllner Herrfurthplatz zum Urban-Krankenhaus in Kreuzberg. Anlass waren die am Samstag in Kraft getretenen Ausgangsbeschränkungen. Auf der Demonstration, zu der die Interventionistische Linke (IL) aufgerufen hatte, wurden diese scharf kritisiert. Die Ausgangsbeschränkungen seien ein »autoritäres Placebo«, das die Ausbreitung des Virus nicht eindämmen würde, hieß es.

So verwiesen die Aktivisten auf Erkenntnisse von Aerosolforschern, die nahelegen, dass Menschen sich vor allem im Innenbereich, aber kaum draußen infizieren. In einem Aufruf zu der Demonstration stellen sie die Frage: »Wieso sollen wir dann abends eingesperrt werden, nur um uns morgens wieder in die Öffis zu quetschen und zur Arbeit zu fahren?« Ein Redner erklärte auf der Zwischenkundgebung in der Neuköllner Hasenheide, dass neben der Bundesregierung lediglich Konzerne und Polizei die Ausgangssperren gutheißen würden. Die einen, weil sie weiter Profit machen könnten. Die anderen, weil sie die Maßnahme nutzten, um migrantische Jugendliche in Parks wie der Hasenheide zu drangsalieren.

Statt den Ausgangsbeschränkungen, die das Verlassen der Wohnung ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 für den Zeitraum zwischen 22 Uhr und 5 Uhr untersagen, bräuchte es einen Lockdown für die Wirtschaft. Die Aktivisten schlugen unter anderem eine dreiwöchige bezahlte Arbeitspause und die Schließung aller nicht-systemrelevanten Unternehmen vor. Konzerninteressen dürften keinen Vorrang vor der Gesundheit haben, so der Tenor der Demonstration. Deutlich werden sollte, dass die Corona-Pandemie trotz Kritik an einzelnen Maßnahmen ernst genommen wird. So trugen auch nahezu alle Teilnehmer Masken.

Thema auf der Demonstration war ebenso die internationale Ungleichheit im Kampf gegen die Pandemie. In einem vorher aufgezeichneten Redebeitrag erklärte eine Sprecherin der Interventionistischen Linken: »Das Versprechen globaler Solidarität hat sich ins Gegenteil gewandelt.« Sie kritisierte, dass Länder im globalen Süden erst deutlich später als die Industrienationen Fortschritte beim Impfen machen können, weil reiche Länder die Aufhebung der Patentrechte für die Impfstoffe verhindern. Eine Blockadehaltung, die den Profiten der Pharmaindustrie diene, aber nicht dem Schutz der Menschen vor einer Erkrankung mit dem Coronavirus. Die IL-Sprecherin forderte deshalb neben der Freigabe der Patente eine Vergesellschaftung der Pharmaindustrie, die dem »patentierten Profitmachen« ein Ende bereite.

Linken Aktivisten fällt es in der Pandemie schwer, solidarische Strategien zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in die Öffentlichkeit zu tragen. Ein Verstoß, der sich mit den Zielen der Demonstration am Mittwoch deckt, ist die Initiative »Zero Covid«, die für einen europäischen Shutdown wirbt, durch den die Inzidenzwerte auf null sinken sollen. Doch bei all den Protesten gegen die Corona-Politik von Rechtsaußen hat es Kritik, die die Pandemie nicht verharmlost, schwer, gehört zu werden. So konnte auch die Demonstration am Mittwoch über linke Aktivisten hinaus kaum weitere Berliner mobilisieren.

Das Video kommt von unseren Kollegen und Kolleginnen von Supernova.

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