- Politik
- Ermittlungen im Fall NSU 2.0
Unglaubwürdig
Sebastian Bähr über die Verhaftung im Fall der NSU-2.0-Drohungen
Im hessischen Innenministerium freut man sich: Nach zähen Ermittlungen können die Polizisten im Fall der NSU-2.0-Drohschreiben endlich einen verhafteten Verdächtigen präsentieren. Ein Neonazi aus Berlin soll diese praktisch im Alleingang verfasst haben. Die internen Daten der Betroffenen soll er durch einfache Abfragen bei Polizeidienststellen und Meldebehörden erhalten haben, indem er sich dort als Beamter ausgegeben habe – diese »Hypothese« der Ermittler kursiert derzeit zumindest in den Medien. Auch über einen Kauf der Daten im Internet wird spekuliert.
Hessens Innenminister Peter Beuth zeigt sich jedenfalls erleichtert, man werde aus dem Fall Lehren für die Zukunft der Sicherheitsbehörden ziehen, ließ er mitteilen. Solche Worte klingen doch sehr nach Schlussstrich. Kein Polizist war beteiligt, der Einzeltäter ist gefasst, die Akte geschlossen – das würde nicht nur dem CDU-geführten Landesinnenministerium ganz gut in den Kram passen. Und doch: Die präsentierte Geschichte klingt von vorne bis hinten nicht schlüssig. Das kann man eindeutig feststellen – auch ohne dabei den konkreten Ermittlungserfolg zu schmälern.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Die Widersprüche stechen ins Auge: Wie kann ein unbefugter Zivilist durch Telefonabfrage ohne Identifizierung an teilweise gesperrte Meldedaten gelangen – in mindestens 20 Fällen? Wie sollen diese Daten alternativ einfach so ins Internet gelangt sein – und dann rein zufällig in die Hände des Verdächtigen? Welche Rolle spielt die rechte Chatgruppe, deren Teil die Frankfurter Polizistin war, von deren Dienstrechner aus persönliche Daten einer Betroffenen abgefragt wurden?
Vieles spricht dafür, dass der Verdächtige Teil eines extrem rechten Netzwerkes war oder über entsprechende Quellen verfügte. Diese Frage muss geklärt werden. Solange gilt weiter: Der Fall ist nicht abgeschlossen, Aufklärung wird ohne öffentlichen Druck nicht zustande kommen.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.