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Verlässliche Ansprechpartner fehlen
Israel und Hamas liefern sich einen Krieg mit Raketen und Bomben - Regierungen unfähig zu entscheiden
Das Feuer begann am Sonntagabend, kurz nach 18 Uhr Ortszeit: In der Nähe von Jerusalem, in Tel Aviv, den Städten im Süden Israels schlugen Raketen ein, die vom Gazastreifen aus abgefeuert wurden. Kurz zuvor war ein Ultimatum der Hamas-Führung abgelaufen, die den dicht bevölkerten Landstrich seit 2007 kontrolliert. Israels Regierung solle alle Polizist*innen und Siedler*innen vom Tempelberg und aus dem Stadtteil Scheich Dscharrah abziehen.
Das tat Israels Regierung natürlich nicht. Stattdessen redeten Regierungsmitarbeiter*innen und Kabinettsmitglieder bis zur letzten Minute das Ultimatum klein: »Leeres Gequatsche«, nannte Gesundheitsminister Yuli Edelstein die Drohung und Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte Journalist*innen im Vorbeigehen, man habe solche Situationen schon »zigmal« erlebt, ohne dass die Hamas ernst gemacht habe. Besorgnis war nur von Verteidigungsminister Benny Gantz zu hören: »Das ist ernst; wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten«, sagte er in einem kurzen Statement im öffentlich-rechtlichen Sender KAN und sah dabei ausgesprochen resigniert aus.
Aus gutem Grund: Vor gut einem Jahr hatten er und Netanjahu nach der dritten Neuwahl eine Machtteilung vereinbart. Doch der Regierungschef hielt sich nicht dran, umging Gantz, wo es nur ging, regierte mit einer Art Schattenkabinett, von dessen Entscheidungen die tatsächlichen Kabinettsmitglieder oft nur in letzter Minute erfuhren. Es herrscht politisches Chaos, das nun zum Krieg zu werden droht.
Im Minutentakt feuern die Milizen der Hamas und des Islamischen Dschihads Raketen ab, so viele, dass das Abwehrsystem »Eiserne Kuppel« nur noch bedingt etwas ausrichten kann. Israels Luftwaffen fliegt im Gegenzug Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen; die Logik dahinter ist die gleiche wie immer: Hart zuschlagen und darauf warten, dass irgendjemand - meist die Regierungen von Ägypten oder Katar oder beide zusammen - einen Waffenstillstand aushandelt.
Das nicht enden wollende Sirenengeheul erinnert die Menschen derweil an den Gazakrieg im Sommer 2014, als dies 38 Tage lang Alltag war. Und dennoch ist nicht nur die Intensität des Raketenfeuers anders als damals: Es gibt für die internationale Gemeinschaft keine verlässlichen Ansprechpartner*innen. Ägyptens Außenminister Sameh Schukri, der traditionell Vermittlungsversuche koordiniert, mahnte am Montag an, die Regierungsbildung in Israel müsse nun voran getrieben werden. Denn dort wird nun zum vierten Mal innerhalb von zwei Jahren versucht, eine überlebensfähige Koalition auf die Beine zu stellen, und der ultra-rechten Religiös-Zionistischen Partei kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Dass Netanjahu - gegen den Rat seines Verteidigungsministers - rechten Israelis erlaubte, in einer sehr kritischen Phase durch die Jerusalemer Altstadt zu marschieren, und auch nichts gegen die geplanten Häuserräumungen in Scheich Dscharrah unternahm, liegt vor allem an den Forderungen der Religiös-Zionist*innen.
Auf der palästinensischen Seite hat derweil die Hamas de facto das Sagen - auch wenn Präsident Mahmud Abbas immer noch im Amt ist und seine Fatah-Fraktion das Westjordanland offiziell immer noch kontrolliert. Nur: Der Einfluss von Abbas und Fatah auf die Öffentlichkeit ist extrem begrenzt; den Machtverlust an die Hamas konnte man nur durch die Absage der für Ende Mai geplanten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen verhindern. Unbeliebt seien Abbas und die Fatah schon seit vielen Jahren, sagt Yara Hawari, Analystin des Think Tanks Al-Schabaka: »Aber früher hörte man noch auf beide, wenn es Auseinandersetzungen mit Israel gab. Jetzt jedoch orientieren sich die jungen Leute vor allem an dem, was die Hamas in Gaza sagt und folgen ansonsten ihren Emotionen.«
Die sich aktuell vor allem in Aggressionen äußern: »Es fällt mir persönlich extrem schwer, ruhig zu bleiben, wenn ich sehe, dass wir seit Jahren in einer Situation festsitzen, in der wir im Grunde nur darauf warten, dass in Israel endlich eine ordentliche Regierung an die Macht kommt, dass wir endlich eine demokratisch gewählte Regierung bekommen, dass irgendjemand eine Idee für die Zukunft hat«, sagt der 32-jährige Nabil Kunbar. Er ist Anwalt und jemand, von dem sein Umfeld nie zuvor Zustimmung zu Gewalt zu hören bekommen hat. Leute wie er sind der Gradmesser für das, was in den Menschen jetzt gerade vor sich geht: »Wenn ausländische Regierungen und die Uno Ruhe anmahnen, dann höre ich: Wartet noch ein bisschen länger. Nur worauf?«
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