Negativ auch ohne Test

In nicht allen der über 1300 Berliner Schnelltestzentren geht es seriös zu

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein bisschen misstrauisch war man schon. Beim ersten Besuch im Neuköllner Testzentrum, in dem ansonsten eine sogenannte Sport-Bar logiert, war das Stäbchen kaum zu spüren. Aber die Frage »Sind Sie sicher, dass Sie schon fertig sind?« wurde freundlich beantwortet: »Alles bestens, danke.« Das negative Testergebnis kam auch schon ein bisschen früher als erst nach 30 Minuten, zum Glück, sonst wäre die Wartezeit vor dem Freibad doch ein bisschen lang gewesen.

Auch einige Tage später gab es ein per E-Mail zugesandtes negatives Ergebnis aus der selben Schnellteststation. Diesmal allerdings ohne dass die Getestete überhaupt anwesend war. Die Buchung war ein Versehen, aber war es der Versand des PDFs, das derzeit für Berliner*innen die eigentliche Eintrittskarte in die Stätten von Sport, Kultur, Freizeit und Gastronomie ist, auch?

Ähnliche Geschichten und Anekdoten im Umfeld gibt es einige: hier habe man die Wattestäbchen kaum im Nasenloch gefühlt, dort sei es auffallend schnell gegangen, von den mittlerweile zehn in Laufweite befindlichen Teststationen in sonst als Café, Kneipe, Club oder Autohaus genutzten Räumlichkeiten vertraue man nur bei drei darauf, dass dort auch seriös getestet werde. Vor allem in den Bezirken innerhalb des S-Bahnrings schießen die Gelegenheiten wie Pilze aus dem Boden, andere schließen bereits wieder angesichts der seit Pfingsten möglichen Rückkehr zum eigentlichen Geschäft.

Berlin ist Schnelltest-Hauptstadt: 3,2 Millionen Testmöglichkeiten stehen pro Woche laut der Teststrategie des Berliner Senats zur Verfügung. Dafür hat der Senat insgesamt 63 Millionen Euro pro Monat bereitgestellt. Alle Berliner*innen sollten sich einmal pro Woche kostenlos testen lassen können. Auf Antigen-Schnelltests allein entfallen 49,6 Millionen Euro, auf PCR-Tests weitere 9,8 Millionen Euro. Seit Anfang März sind in Berlin gut 5,2 Millionen Corona-Bürgertests gemeldet worden. Davon entfielen knapp 4,8 Millionen auf privat betriebene Teststationen, die übrigen auf die zwei Dutzend senatseigenen Testzentren, wie ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung am Montag mitteilte. Der »Tagesspiegel« hatte zuvor über die Zahlen berichtet.

Auf der von der Gesundheitsverwaltung initiierten Webseite test-to-go waren am Montag 1300 Testzentren verzeichnet. Mittlerweile sind dort alle Schnelltests kostenlos, egal wie oft sich die Berliner*innen testen lassen. Der Bund übernimmt die Kosten für mindestens einen Schnelltest pro Bürger und Woche. Das Bundesamt für Soziale Sicherung hat der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, über die die Abrechnung läuft, bis zum 17. Mai nach eigenen Angaben gut 70 Millionen Euro überwiesen, davon knapp 16 Millionen Euro für Sachkosten von PoC-Antigen-Tests, wie sie an den Teststellen angeboten werden, sowie rund 22,5 Millionen für die weiteren Leistungen.

Die privaten Teststellen erhalten 18 Euro pro Test. Das lockt Betrüger an. Von einem »El Dorado für Glücksritter« sprach der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Albers im Bezug auf diese Teststationen.

Die Gesundheitsverwaltung geht von falschen Abrechnungen »im Promillebereich« aus. Mangels ausreichender Kontrollen gibt es aber keine sicheren Daten. Bund und Länder wollen die Regeln nun verschärfen. Ansatzpunkte für Neuregelungen sollen etwa sein, dass Sachkosten zur Zahl der Testkits von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit den abgerechneten Tests abgeglichen werden.

»Das kann nicht sein, so etwas darf eigentlich nicht passieren«, erklärt der Mann, der bei der als Kontakt angegebenen Nummer des Neuköllner Unternehmens ans Telefon geht, und entschuldigt sich vielmals. »Es kann nur ein Versehen gewesen sein«. Kurze Zeit später gibt er auch eine Erklärung: es habe einen »Fehler im System« gegeben. Man habe vier, fünf E-Mails am selben Tag falsch versandt.

Auf die wiederholte Nachfrage, wie und wie oft die Arbeit der über 1300 Teststellen in der Hauptstadt überprüft werde, äußerte sich die Gesundheitsverwaltung bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung nicht.

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