Sind Änderungen des Testaments wirksam?

Rund ums Testament und Erbe

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Das Ehepaar hatte zwei Söhne A. und B. Die Eheleute hatten sich per Erbvertrag gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Als der Ehemann gestorben war, verfasste die Witwe handschriftlich ein Testament zu Gunsten der Söhne. Das Original hinterlegte sie in einem Bankschließfach. In der Wohnung bewahrte sie Kopien des Testaments auf.

Auf einer der Kopien änderte die Mutter später handschriftlich ihre Verfügungen: Eine Änderung versah sie mit Datum und Unterschrift. Die zweite Änderung, nach der Sohn B. nur den Pflichtteil erhalten sollte, unterschrieb sie nicht.

Die gesetzliche Erbfolge außer Kraft setzen

Die gesetzliche Erbfolge, festgeschrieben vor über 100 Jahren, passt oft nicht mehr zu den heutigen Familienkonstellationen: Partner aus verschiedenen Ländern, Patchwork-Familien, Unverheiratete. Nur mit einem Testament lässt sich detailliert regeln, wer was erben soll - außerhalb der gesetzlichen Erbfolge. Dazu kommt, dass familiäre Beziehungen häufig nur temporär sind.

Ein Testament ist zum Beispiel notwendig, wenn ein Ehepaar ein Haus besitzt und der eine nach dem Tod des anderen alleine über die Immobilie verfügen möchte. Die gesetzliche Erbfolge sieht nämlich vor, dass auch die Kinder erbberechtigt sind. Für Unverheiratete ist es möglich, mit einem Testament den Partner abzusichern. Denn ohne diese Regelung werden sie beim Tod des Partners wie Fremde behandelt und gehen nicht selten leer aus.

Besonders kompliziert ist es bei Patchwork-Familien. Die gesetzliche Erbfolge entspricht häufig nicht den Wünschen von Wiederverheirateten. Eltern mit kleinen Kindern sollten sich Gedanken machen, was im Falle ihres Todes passieren soll, denn sonst entscheidet mitunter das Familiengericht. Bei Partnern aus zwei Ländern stellt sich die Frage, welches Recht gilt und was genau dieses regelt. Mit einem Testament lässt sich der Wille der Partner festlegen. Wiltrud Zweigler

Nach ihrem Tod berief sich Sohn A. auf die zweite Ergänzung auf der Testamentskopie und beantragte einen Erbschein als Alleinerbe. Sohn B. erklärte, der handschriftliche Zusatz sei mangels Unterschrift nicht wirksam.

Das Oberlandesgericht Köln (Az. 2 Wx 131/20) entschied den Bruderstreit zu Gunsten von Sohn B. Erblasser könnten grundsätzlich Testamente ändern, im Text etwas streichen oder ihn ergänzen. Das könnten sie auch auf der Kopie eines eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments tun. Der Erblasser/die Erblasserin müsse aber die handschriftlichen Änderungen eigens mit einer Unterschrift versehen. Nur dann seien sie wirksam.

Der Antrag von Sohn A. auf einen Alleinerbschein bleibe daher erfolglos. Denn die Erblasserin habe den Zusatz, dass Sohn B. nur der Pflichtteil zustehe, nicht unterschrieben. Das Fehlen der Unterschrift sei im konkreten Fall schon deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Erblasserin eine andere Ergänzung des Testamentstextes eigens unterschrieben habe.

Aus diesem Grund sei es nicht auszuschließen, so das Gericht, dass es sich beim zweiten handschriftlichen Zusatz, der Sohn B. betraf, nur um einen Entwurf gehandelt habe.

Gemeinschaftliches Testament von Witwe geändert

Es ist zulässig, vom gemeinschaftlichen Testament abzuweichen, wenn das Testament diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht.

Das Ehepaar W. hatte zwei Töchter A. und B. 1994 hatten die Eheleute ein gemeinschaftliches notarielles Testament verfasst, sich gegenseitig als Alleinerben und die Töchter als Schlusserben zu gleichen Teilen eingesetzt. Des Weiteren steht im Testament wörtlich, die Verfügungen könnten »nur gemeinschaftlich geändert ... werden. Nach dem Tode eines Teils von uns ist der überlebende Teil berechtigt, seine Verfügungen (in Bezug auf die Verteilung des Vermögens unter unseren Kindern) abzuändern.«

2002 starb Herr W. Weil danach der Kontakt der Mutter zu Tochter B. abbrach, schrieb die Mutter ein neues Testament, in dem sie bestimmte, das Land der Eltern solle die Tochter A. bekommen. Tochter B. dagegen solle »nichts erhalten«. Vermögen in Geld war nicht vorhanden. Der umstrittene Nachlass bestand aus etwa 42 900 Quadratmeter Ackerland. Als die Witwe 2019 starb, beantragte Tochter A. einen Alleinerbschein, gestützt auf das zweite Testament. Diesem Antrag widersprach Tochter B. mit dem Argument, ihre Mutter habe das gemeinschaftliche Testament nicht widerrufen dürfen.

Das zuständige Amtsgericht gab ihr Recht und verweigerte Tochter A. den Erbschein. Deren Einspruch hatte beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Az. 21 W 165/19) Erfolg. Prinzipiell seien die Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament verbindlich, betonte das OLG, das heißt, der überlebende Ehepartner dürfe davon nicht abweichen. Im konkreten Fall hätten sich jedoch die Eheleute bereits im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig die Befugniseingeräumt, nach dem Tod des Erstversterbenden die Verfügungen zu ändern.

Der Notar, der 1994 das Testament beurkundet hatte, habe vor dem OLG ausgesagt, dass er diese Änderungsklausel regelmäßig verwendet hätte. Er verstehe sie so - und habe das mit den Eheleuten auch besprochen -, dass der überlebende Ehepartner das Erbe völlig frei unter den Kindern aufteilen könne. Das umfasse auch eine Enterbung einzelner Kinder.

Unter diesen Umständen, so das OLG, könne man davon ausgehen, dass das zweite Testament auch dem Willen des Ehemannes entsprach. Die Witwe habe das gemeinschaftliche Testament keineswegs umfassend widerrufen, sondern nur teilweise abgeändert - und zwar in einem Umfang, dem auch ihr mit testierender Ehemann im gemeinschaftlichen Testament zugestimmt habe. OnlineUrteile.de

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