Zweifel an der Fairness

Doping: 2020 wurde weltweit weniger getestet - wie selten, ist nicht überall klar

Das Label »positiv getestet« hat im vergangenen Sportjahr viel an Dramatik verloren. Ging es zuvor um Dopingvergehen, die täglich über die weltweiten Ticker liefen, waren es in der Pandemie meist »nur« Meldungen, wenn sich Athleten mit dem Coronavirus infiziert hatten und daher für ein paar Wochen in Quarantäne mussten, anstatt für vier Jahre gesperrt zu werden. Tatsächlich wurden die Dopingmeldungen so rar, dass der Eindruck entstand, es werde gar nicht mehr getestet. Die deutsche Antidoping-Agentur (Nada) widerlegte diese Annahme bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2020 am Dienstag. Allerdings räumte sie ein, dass die Pandemie auch im Antidopingkampf Spuren hinterlassen hat.

Die Zahlen sind eindeutig: Zwischen Januar und Dezember hat die Nada Athleten 9572-mal zur Abgabe von Blut oder Urin aufgefordert. Im Jahr davor waren es noch 12 910 Tests. Dieser 25-prozentige Rückgang ist jedoch nicht der Untätigkeit der Kontrolleure zuzuschreiben, sondern dem Ausfall von vielen Wettbewerben - die Zahl der Trainingskontrollen blieb so hoch wie 2019. Da die meisten Dopingsünder im Training aktiv werden, sollten sie also eigentlich nicht durchs Netz gefallen sein. »Das Kontrollsystem war unter den Pandemiebedingungen angemessen«, erklärte die Nada-Vorsitzende Andrea Gotzmann dazu.

Dennoch wurden nur 35 mögliche Verstöße festgestellt und sechs Sanktionen ausgesprochen - in acht Verfahren sind noch keine Urteile gefallen, bei zehn Fällen konnte ein Verdacht ausgeräumt werden. 2019 hatte die Nada noch jeweils mehr als doppelt so viele Verstöße entdeckt und auch geahndet.

Nun gibt es viele mögliche Gründe für den Rückgang der entdeckten Verstöße: So war die Nada im ersten Lockdown einen Monat lang komplett zur Untätigkeit gezwungen. Oder es wird dank guter Prävention und hohem Ermittlungsdruck tatsächlich weniger gedopt. Oder das galt nur fürs Zwischenjahr 2020, weil zu dopen ohne große Wettkämpfe einfach gar keinen Sinn ergab. Den wahren Grund kennt niemand.

Daher schauen Dopingjäger und Sportler nun lieber nach vorn in Richtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Sommer in Tokio - so sie denn dieses Mal stattfinden. Da die Staaten dieser Welt wie auch die Arbeit ihrer nationalen Antidopingbehörden aber ganz verschieden von der Corona-Pandemie betroffen waren, stellen sich ihnen nun Fragen nach der Chancengleichheit: Wie oft wurde in anderen Ländern kontrolliert? Nutzten Betrüger den Aufenthalt in einer Quarantäne, um sich dem Zugriff der Kontrolleure zu entziehen? Wie vertrauenswürdig sind Ergebnisse, wenn Sportler und Dopingtester mehr als einen Meter Abstand voneinander halten müssen?

Klare Antworten darauf konnte Gotzmann nicht geben, auch wenn sie versuchte, Zweifel auszuräumen. »Das Olympia-Testprogramm musste zeitweise ausgesetzt werden, läuft mit der Verschiebung der Spiele nun aber wieder im Zeitplan«, sagte die Nada-Vorsitzende. Das sei jetzt in Europa fast überall so. Wie es im Rest der Welt aussieht, weiß Gotzmann aber nicht. Einen Überblick zu geben, sei schwierig, denn »wir bekommen zwar Zahlen der Welt-Antidopng-Agentur, aber die Statistiken gelten teilweise nur für einzelne Tage. Wir konnten unsere Kontrolleure auch nicht überall hinschicken, um zum Beispiel deutsche Athleten zu kontrollieren, die im Ausland trainieren«, sagte sie. Die International Testing Agency (ITA), die im Vorfeld der Olympischen Spiele überall auf der Welt mögliche Teilnehmer kontrollieren soll, habe in Deutschland auf hohem Niveau gearbeitet, aber »auf die internationalen Vergleichszahlen müssen wir bis nach Olympia warten«, so Gotzmann.

Zumindest hierzulande seien nicht auffallend viele Athleten in Quarantäne geflüchtet. Ihre Zahl lag unter einem Prozent, und alle seien danach gezielt nachkontrolliert worden. Starke Schwankungen der Blutwerte wären später auch dank der biologischen Athletenpässe aufgefallen. Zudem werden mittlerweile mehr als 3000 Proben jährlich eingefroren, um Doper bis zu zehn Jahre später mit dann neuartigen Analysemethoden immer noch entlarven zu können.

In der Zeit, als die Kontrolleure der Nada gar nicht zu den Athleten durften, hat die Agentur ein neues Verfahren initiiert. Unter Anleitung per Videochat mussten sich Sportler selbst einen Tropfen Blut abnehmen, diesen dann versiegeln und ins Labor schicken. So wurde die neue »Dried Blood Spot«-Methode (DBS) getestet. Da die Ergebnisse offenbar valide waren, wird DBS nun bei Olympia offiziell eingeführt. Das könnte auf Dauer die Entnahme von Blut mit Spritzen beenden. Das dürfte dann jedem Athleten gefallen. Egal, ob er gedopt hat oder nicht.

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