Geht denn nicht mehr?

In Frankfurt am Main wurde die »Politik an der Scherzgrenze« in der TV-Unterhaltung diskutiert

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 4 Min.

Einem Fünftel der Wählerinnen und Wähler in Sachsen-Anhalt dürfte am Montag die Abendveranstaltung in der Evangelischen Akademie Frankfurt am Main wenig gefallen haben. Dort ging es nämlich auf dem satirisch besetzten Podium um Grenzen und Aufgaben von Komik, Kabarett und Karikaturen in deutschen Medien. Und alle waren sich einig, dass man irgendwie etwas gegen die AfD unternehmen müsse.

»Wie lange gibt es jetzt schon die AfD, die Mechanismen der bewussten Provokation und der Verschiebung der Grenze des Sagbaren? AfD-Wähler sind für mich nicht alle Nazis, aber sie sind alle Nazi-Sympathisanten«, erklärte der ZDF-»Anstalts«-Komiker Max Uthoff. Natürlich werde auch in seiner Sendung das AfD-Wahlprogramm auseinandergenommen und appelliert: »Du als Wähler hast eine Verantwortung! Dann greife ich den AfD-Wähler mit satirischen Mitteln an.«

Mehr geht aber nicht? Doch, meinte sein Kollege Andreas Rebers. Er hält es geradezu für vorbildlich, dass beispielsweise Urban Priol in seinem Aschaffenburger Theater die AfD-Kandidaten coram publico auseinandergenommen habe. Denn dafür brauche es die Zeit des Hörens und des Zuhörens. Nur wenn man begreift, wie die Rechten reden und denken und welche rhetorischen Mittel sie benutzen, dann könne man sie auch bekämpfen, meinte Rebers. Dafür böten die kurzatmigen Fernseh-Talkshows keine Plattform, gehe es da doch hauptsächlich um die jeweilige Brülldominanz. Kabarett und Satire könnten dagegen zum Nachdenken und zur Entlarvung rechten Gedankengutes beitragen.

Gar nicht, hielt der gelernte Grafikdesigner und Karikaturist Gerhard Mester dagegen. Vermeintlich gut gemeinte Entlarvungsveranstaltungen wie die von Priol würden keinen einzigen AfD-Sympathisanten oder gar -Wähler erreichen. Priol habe da seine Rolle als Kabarettist verlassen, um von oben herab zu missionieren. Das Publikum wolle sich aber nicht belehren oder gar erziehen lassen. Die meisten wollten einfach nur gut unterhalten werden. Denn wird man in seinem Programm zu scharf oder gar moralinsauer, bleibe die zahlende Kundschaft aus - darin waren sich alle Diskutanten einig. Oder die öffentlich-rechtlichen Redaktionen rundeten die Gags und Einlagen massenkompatibel ab. Anderes bleibe einmalig und lasse sich kaum verstetigen, meinte Max Uthoff: »Da war der Auftritt des syrischen Flüchtlingschores: 400 Leute im Live-Publikum hatten Tränen in den Augen. Natürlich kam danach der Vorwurf des zu großen Pathos. Aber das kann man nicht wiederholen.«

Nur wieso nicht? Zwar wird seit Jahren mehr Diversität im Programm gefordert, selten aber umgesetzt. So wie Jan Böhmermann sein Stamm-Rundfunkorchester hat, könnte man das doch auch mit einem Flüchtlingschor machen. Oder mit einer Obdachlosen-Band? Und die Kabarettistine Idil Baydar fragte: »Wieso sollten Behinderte nicht auch mal eine Spieleshow moderieren?«

So weit scheint das deutsche Fernsehen und Publikum noch lange nicht zu sein. Viel mehr gebe es das Phänomen des »Tokenismus«. Da werde eben immer mal eine Frau oder ein dunkelhäutiger Mensch vor die Kamera geholt, um sich aufgeklärt und vielfältig zu geben, so Baydar. Im Grunde aber bleibe das Programm treudeutsch und weiß.

Besonders intolerant scheinen Beitragszahlende gegenüber Frauen mit anderer Hautfarbe zu sein, die dann auch noch eine klare Haltung gegen rechts zeigen. Die 1982 in Hagen geborene Podcasterin Jasmina Kuhnke bezeichnet sich selbst als »serbokroatische Afrodeutsche«. Sie schreibt unter anderem Gags für Carolin Kebekus und ist auch schon in ihrer gleichnamigen Show aufgetreten. Das nehmen viele dann nicht mehr mit Humor. Kuhnkes Privatanschrift wurde im Internet veröffentlicht.

Nicht nur sie, sondern auch ihre vier Kinder mussten sich nach dem Aufruf »Massakriert Jasmina Kuhnke« bedroht fühlen. Kuhnkes Familie musste umziehen. Aber dem Hass auf Social Media wurde auch Solidarität entgegengesetzt. Es wurden Spenden für die Anwaltskosten der Kabarettistin gesammelt. »Das ist der Unterschied: Weiße Männer werden nicht gleich mit dem Tode bedroht, ich als Schwarze schon«, fasste Jasmina Kuhnke ihre Erfahrungen zusammen.

Um dagegen vorzugehen, könne sie nur versuchen, mit Komik den alltäglichen Rassismus zu entlarven, den sie seit ihrer Geburt erlebe. Da habe sie sich als Betroffene automatisch ein dickeres Fell zulegen müssen als andere, sagt sie. Aber bei Todesdrohungen höre der Spaß auf. Da könne man als Komödiant nur hoffen, dass einen der Sender, Verlag oder eben die Polizei in Schutz nimmt. Und dass man wohlmöglich in dem prekären Beruf etwas ansparen konnte, um eine Weile abtauchen zu können.

Womit wir wieder bei der AfD wären. Denn die möchte die öffentlich-rechtlichen Sender auf ein Restprogramm von nur noch zehn Prozent totsparen. Dann hätten selbst die guten Kabarettisten nur noch die Kleinkunstbühnen als Auftrittsorte und Einnahmemöglichkeit. Da gehen dann bestimmt auch keine AfD-Sympathisanten oder gar -Wähler hin, um sich von demokratischen Gedanken überzeugen zu lassen. Schöne Aussichten auf die nächste Wahl.

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