China greift zum »Antisanktionsgesetz«

Peking zeigt ausländischen Firmen Vergeltungsinstrumente

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 2 Min.

Die 16 Artikel lesen sich wie eine einzige Warnbotschaft an westliche Unternehmen, sich nicht der Führung der Kommunistischen Partei Chinas zu widersetzen. Wie fast alle chinesischen Rechtstexte ist auch das »Antisanktionsgesetz« so vage formuliert, dass es genügend Interpretationsspielraum bereithält, um von Peking je nach Belieben ausgelegt zu werden.

Die Kernaussage lautet: Jedes Individuum oder Unternehmen kann künftig rechtlich belangt werden, wenn es gegen China gerichtete Sanktionen umsetzt. Zuletzt sahen sich H&M und Adidas einem chinesischen Boykott ausgesetzt, da sie keine Baumwolle mehr aus Xinjiang beziehen, weil sie innerhalb der Zuliefererkette Zwangsarbeit nicht ausschließen konnten. Das bloße Befolgen von EU-Menschenrechtsstandards kann also in China automatisch zum Rechtsbruch führen.

Insbesondere europäische Unternehmen geraten damit zwischen die Fronten des geopolitischen Konflikts zwischen China und den USA. Schon bald werden sich Konzerne entscheiden müssen, auf welcher Seite sie stehen. Bestes Beispiel Huawei: Laut US-Sanktionen dürfen Unternehmen, die Chips mit Maschinen aus den Vereinigten Staaten produzieren, nicht mehr an den chinesischen Netzwerkhersteller liefern. Deutsche Unternehmen halten sich dran, weil beim Ausschluss vom US-Markt auch der Ausschluss vom internationalen Finanzsystem drohen kann. Doch künftig könnte die Entscheidung schwererfallen, welchen Marktregeln man folgt. In China werden im künftigen Jahrzehnt bis zu einem Drittel des Wirtschaftswachstums weltweit generiert.

Brisant ist auch der Zeitpunkt des Antisanktionsgesetzes: Erst im März hat die EU erstmals seit 1989 Sanktionen gegen chinesische Politiker verhängt, die für die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang verantwortlich zeichnen. China konterte mit überproportional schärferen Gegensanktionen - gegen europäische Politiker und Denkfabriken. »Anstatt auf Deeskalation zu setzen, schafft die chinesische Regierung neue Unsicherheit. Das schadet Chinas Ruf als Investitionsstandort und Handelspartner«, sagt Wolfgang Niedermark vom Bund der Deutschen Industrie (BDI). Vor allem aber beweist es Chinas neues Selbstbewusstsein auf dem globalen Parkett.

»China hat seinen Werkzeugkasten für die Folterkammer etabliert, aber noch nicht angewendet. Bislang setzt es vor allem auf Einschüchterung«, sagt Jörg Wuttke, der als Handelskammerpräsident die Interessen europäischer Unternehmen in China vertritt. Ob die Instrumente zum Einsatz kommen, ist offen: Bereits 2019 hat Pekings Staatsführung mit einer schwarzen Liste gegen »unzuverlässige Unternehmen« gedroht, die Chinas nationalen Interessen schaden. Doch seither wurde das Gesetz kein einziges Mal angewendet.

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