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Bukele knebelt in El Salvador die Opposition
El Salvadors Parlament verabschiedet Gesetz gegen Nichtregierungsorganisationen und kritische Medien
Die Politik der harten Hand ist in El Salvador nach wie vor populär. Der autoritär regierende Präsident Nayib Bukele feiert am 1. Juni sein sechsjähriges Amtsjubiläum und hat sich lange einer Zustimmungsrate von um die 80 Prozent erfreut. Der selbsternannte »coolste Diktator der Welt« kann sich seit den vergangenen Parlamentswahlen im Februar 2024 mit seiner Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen) und verbündeten Parteien auf 57 der 60 Parlamentssitze stützen, begünstigt durch ein verändertes Wahlrecht, das vom Parlament verabschiedet wurde, in dem Bukele schon seit 2021 über eine qualifizierte Mehrheit verfügte. Doch seit einiger Zeit verliert Bukele an Zustimmung, zuletzt befürworteten nurmehr 55 Prozent seine Regierungsführung. Auch deshalb setzt er mit der klaren Parlamentsmehrheit im Rücken den Weg in eine De-facto-Diktatur fort.
Am 20. Mai verabschiedeten die Abgeordneten mit überwältigender Mehrheit das Gesetz zur Regulierung ausländischer Agenten. Fortan kann Bukele per ordre de mufti entscheiden, welche Nichtregierungsorganisationen oder unabhängigen Medien im Land arbeiten dürfen oder eben nicht. Und denen, die die Arbeit pro forma erlaubt wird, wird sie erschwert: Neben der Eintragung in ein nationales Register müssen sie künftig 30 Prozent ihrer Einnahmen an den Staat abführen – das zielt insbesondere auf Zuwendungen aus dem Ausland, ob nun von politischen Stiftungen oder Partnerorganisationen.
Militärpolizei im Einsatz gegen Zivilisten
Bukele selbst kündigte das Gesetz vergangene Woche an, nachdem es vor seinem Wohnsitz eine kleine Protestaktion gegeben hatte. Er hatte die Demonstration durch die Militärpolizei auflösen lassen. Es war das erste Mal seit dem Friedensabkommen von 1992, dass die Militärpolizei gegen Demonstranten eingesetzt wurde, was eigentlich ausschließlich der Nationalen Zivilpolizei vorbehalten ist.
Am Dienstag stellte der Innenminister Juan Carlos Bidegain Hananía das Gesetz vor. Die Diskussion dauerte lediglich 84 Minuten. Im Parlament sitzen seit Mai 2024 nur noch drei Oppositionsabgeordnete, zwei von der rechten Arena-Partei und die linke Abgeordnete Claudia Ortiz von der Partei Vamos (Wir gehen). Sie kritisierte die Maßnahme. »Dieses Gesetz ist mit der Demokratie, dem Rechtsstaat und dem Respekt vor den grundlegenden Rechten auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit unvereinbar«, sagte sie. »Es ist ein autoritäres Werkzeug zur Zensur und zum Schwächen des zivilgesellschaftlichen Raums in El Salvador«, fügte sie hinzu.
Die Verabschiedung des Gesetzes erfolgte mitten in der stärksten Offensive gegen Stimmen, die Bukele kritisch gegenüberstehen. Allein in den vergangenen drei Wochen wurden mindestens 15 Personen – darunter Unternehmer*innen, Gemeindeführer*innen und Aktivist*innen – aus politischen Gründen ohne Recht auf Verteidigung festgenommen. Zuletzt traf es Ruth López, eine prominente Menschenrechtsanwältin und Mitglied der Nichtregierungsorganisation Cristosal, die am Montag verhaftet wurde. Sie hatte als Leiterin der Antikorruptions- und Justizeinheit bei Cristosal mehrere Untersuchungen zur seit 2019 amtierenden Regierung von Nayib Bukele durchgeführt und wurde 2024 von der BBC als eine der 100 einflussreichsten und inspirierendsten Frauen der Welt ausgezeichnet. Nun wird ihr von der Generalstaatsanwaltschaft laut einer Mitteilung im sozialen Netzwerk X mutmaßliche »Unterschlagung« beziehungsweise Veruntreuung staatlicher Gelder vor Beginn ihrer Tätigkeit bei Cristosal vorgeworfen. Ein konstruierter Vorwurf, der eine wichtige Stimme der Zivilgesellschaft zum Schweigen bringen soll.
El Salvadors Gesetz geht über Nicaraguas hinaus
Anfang dieses Monats flohen mindestens sieben Journalisten aus Angst vor Festnahmen, nachdem sie Informationen über angebliche geheime Absprachen der Regierung mit den Banden veröffentlicht hatten. Vorher hatten in der Internet-Zeitung »El Faro« zwei Bandenführer der Mara »Barrio 18 Revolucionarios« ausführlich über die seit Jahren anhaltenden Absprachen mit der Regierung Bukele berichtet. Die Aussagen hätten die Recherchen von »El Faro« über einen Pakt der Regierung mit den Banden bestätigt. Es war das erste Mal, dass Bandenführer, die maskiert an den Verhandlungen mit Regierungsvertretern in Hochsicherheitsgefängnissen beteiligt waren, vor einer Kamera über die Absprachen berichteten, die Bukele ermöglichten, die Macht im Land zu übernehmen.
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Das nun in El Salvador verabschiedete Gesetz geht noch weiter als das Gesetz zur Regulierung ausländischer Agenten 2020 in Nicaragua, mit dem die Regierung von Daniel Ortega mehr als 5200 Nichtregierungsorganisationen verbieten sowie die Rechtspersönlichkeit von diversen Universitäten und unabhängigen Medien aufheben ließ. In El Salvador wird geschätzt, dass das Gesetz bis zu 8000 Nichtregierungsorganisationen und mehr als ein Dutzend unabhängiger Medien betreffen könnte. Das nun in El Salvador verabschiedete Gesetz ist nahezu deckungsgleich mit dem Gesetz zur Regulierung ausländischer Agenten 2020 in Nicaragua, mit dem die Regierung von Daniel Ortega mehr als 5200 Nichtregierungsorganisationen sowie diverse Universitäten und unabhängige Medien verbieten ließ. In El Salvador wird geschätzt, dass das Gesetz bis zu 8000 Nichtregierungsorganisationen und mehr als ein Dutzend unabhängiger Medien betreffen könnte.
Das Parlament von El Salvador hat inzwischen die 38. Verlängerung des Ausnahmezustands ohne irgendwelche Änderungen genehmigt. Er wurde am 27. März 2022 erstmals verhängt, nachdem an einem einzigen Wochenende 87 Menschen ermordet worden waren. Seitdem sagt Bukele nach eigenem Bekunden den Straßengangs (Maras) den Kampf an, mit denen er – was er bestreitet – dem Vernehmen nach seit seiner Bürgermeisterzeit in San Salvador von 2015 bis 2018 paktiert hatte, um die Mordrate zu senken und seine Popularität zu steigern. Die Notstandsregelung hebt verschiedene verfassungsmäßige Rechte auf, wie das Recht von Häftlingen auf Strafverteidigung, die Unverletzbarkeit der Telekommunikation und die Verlängerung der Administrativhaft von maximal drei auf 15 Tage.
396 Menschen, die seit Verhängung des Ausnahmezustands inhaftiert wurden, starben in Haft, wie die Organisation Socorro Jurídico Humanitario (SJH, Humanitäre juristische Hilfe) im Mai bekanntgab. Sie gehörten zu den rund 86 000 Häftlingen, die in den Gefängnissen El Salvadors sitzen, weil sie Mitglieder oder mutmaßliche Kollaborateure der Banden sind. Laut SJH hatten 94 Prozent der 396 Häftlinge keine eindeutige Bandenzugehörigkeit und starben, ohne nach ihrer Festnahme einem Richter vorgeführt worden zu sein. Und mit dem Knebelgesetz gegen die Opposition ist der Weg in eine Diktatur fortan freier denn je.
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