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- Berichterstattung zur Klimakrise
Schluss mit der falschen Balance
Deutsche Medien unterscheiden Verzögerer-Argumente in der Klimakrise nicht von legitimer Kritik und sind damit Teil des Problems, sagt Sara Schurmann.
Wir befinden uns mitten in der existenziellsten Krise, die die Menschheit je erlebt hat, doch bei der Wahl in Sachsen-Anhalt scheint Sorge um die Klimakrise keine Rolle gespielt zu haben. Im Bundestagswahlkampf wird sie zwar diskutiert, jedoch unter der Prämisse, wie viel davon man sich wo leisten könne (Benzinpreis, Kurzstreckenflüge, Einfamilienhaus). Klimaschutz erscheint im öffentlichen Diskurs oft noch immer wie etwas Lästiges, mit dem wir uns noch etwas Zeit lassen können. Nicht als das, was es ist: eine akut notwendige Maßnahme, um heutigen Kindern eine sichere Zukunft und deren Eltern einen angenehmen Lebensabend zu ermöglichen. Das liegt nicht nur an Politiker*innen im Wahlkampfmodus oder an vermeintlich egoistischen Wähler*innen, die nun mal nicht zu Abstrichen bereit sind. Es liegt auch an der medialen Darstellung der Klimakrise.
ZDF-Intendant Thomas Bellut hält die Klimakrise für ein Problem unter vielen - und genau so wird sie in vielen Medien auch dargestellt. Klima sei sehr wichtig, versicherte Bellut bei den Medientagen Mitteldeutschland, »aber danach kommt das nächste Thema«. Warum solle man dazu eine eigene Sendung machen, wie die Initiative »Klima vor acht« es fordert, wenn es auch andere wichtige Themen gibt wie Arbeitsplätze und soziale Ungleichheit? Das zeigt, wie wenig die Krise bisher verstanden wurde und wie nötig eine entsprechende Informationssendung ist. Die Klimakrise geht eben nicht wieder weg, auch nicht, wenn Corona oder andere Krisen sie aus dem medialen Fokus verdrängen. Solange keine angemessenen Maßnahmen ergriffen werden, wird sie sich nur weiter verschärfen und ausweiten. Das scheint noch lange nicht überall verstanden.
Dabei richtet die Klimakrise schon heute auch in Deutschland massiven Schaden an, etwa mehrere Jahre Dürre und Ernteausfälle hintereinander, häufigere Extremwetter, erste Trinkwasserknappheit, Hitzetote, Allergien, Waldsterben, Niedrigwasser in Flüssen und austrocknende Seen. Seit mindestens 30 Jahren ist klar, dass dringend gehandelt werden muss. Um die Erderwärmung zu stoppen, müssen die Treibhausgase effektiv auf Null reduziert werden, in jedem Land und jedem Sektor - so schnell wie möglich. Da ist sich die Wissenschaft einig.
Wie bekommen wir Klimaschutz so schnell und sozialverträglich wie möglich umgesetzt, müsste die Leitfrage der öffentlichen Debatte daher heißen. Das liegt auch daran, dass viele Journalist*innen Delayer-Argumente, die notwendiges Handeln unnötig verzögern, nicht von legitimer Kritik unterscheiden und nicht konsequent widerlegen. »Aber Deutschland erzeugt ja nur zwei Prozent der weltweiten Emissionen!«, »Alleine können wir die Welt nicht retten!«, »Wir müssen dringend neue Technologien erforschen!« - wer mag, kann sich diese Phrasen auf Kärtchen ausdrucken und bei der nächsten Debatte Bullshit-Bingo spielen.
Die Klimakrise wird noch immer als ein politisches Problem begriffen, zu dem man unterschiedliche legitime Meinungen einnehmen kann. Entsprechend begegnen wir Klimapolitik mit Politikjournalismus anstatt mit Wissenschaftsjournalismus und lassen diese Meinungen häufig gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Dabei sind nicht alle Meinungen zur Klimakrise gleich valide. Trotzdem erscheinen sie dann als eine von zwei vermeintlich gleich legitimen Seiten in einer Talkshow und erzeugen eine klassische False Balance.
So verzögern sie den öffentlichen Diskurs, obwohl die Wissenschaft bereits viel weiter ist und erwecken bei Politiker*innen und Wähler*innen den Eindruck, die Wahrheit liege irgendwo in der Mitte. Mit fatalen Folgen. Zu beobachten war das auch in der zweite Corona-Welle, sagen Wissenschaftler wie Christian Drosten. Ähnlich wie Corona betrifft die Klimakrise alle anderen Bereiche und verschärft viele der bestehenden Probleme.
Diese Verbindungen müssen medial überall mitgedacht und vermittelt werden - nicht nur von einzelnen Klimajournalist*innen, sondern überall im Journalismus. Dies nicht zu tun ist weder unpolitisch noch neutral. Denn wir leben in einer Gesellschaft, die die Klimakrise jeden Tag weiter anheizt und unsere Lebensgrundlagen damit immer stärker gefährdet. Das als gegeben hinzunehmen, es nicht immer wieder transparent zu machen, ist nicht richtig, nur weil viele es seit Jahrzehnten machen.
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