Für eine Stadt für alle

Marie Frank über die neuen Lockerungen der Pandemie-Maßnahmen

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 2 Min.

Schon zu Beginn der Pandemie wurde vielerorts hemmungslos bevormundet, diskriminiert, bespitzelt und es wurden Nachbar*innen, die sich nicht an die Regeln hielten, an die Staatsmacht verpfiffen. Es zeigte sich, dass die unter anderem von Theodor W. Adorno in den 50er Jahren beschriebene autoritäre Persönlichkeit keineswegs der Vergangenheit angehört, sondern auch heute noch fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft ist. Dieser tief sitzende Hass auf alles Libertäre, alles, was anders denkt, fühlt und aussieht als man selbst, scheint die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu überdauern. Das bürgerliche Spießertum würde viele der Freiheitseinschränkungen am liebsten für immer beibehalten. Junge Menschen, die in Parks zu lauter Musik Alkohol trinken, feiern und Spaß haben? Geht ja gar nicht, sofort die Polizei rufen und dem bunten Treiben ein Ende setzen. Am besten gleich einen Zaun drum rum machen und Sicherheitsleute patrouillieren lassen. Dann ist man auch gleich die leidigen Obdachlosen los, bei denen kriegt man eh nur ein schlechtes Gewissen angesichts des eigenen Wohlstands.

Derart lust- und lebensfeindliche Einstellungen sind ein Nährboden für faschistische Ideologien. Für den kapitalistischen Staat sind solche Impulse natürlich von Vorteil: Subversive, unerwünschte und arme Menschen können damit aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen und dieser kann gleichzeitig für rein kommerzielle Interessen nutzbar gemacht werden. Die Dystopie einer Stadt, in der es nur Leuten mit Geld erlaubt ist, sich draußen aufzuhalten, rückt damit näher. Wenn es in Außenbereichen von Restaurants, Cafés und Clubs erlaubt ist, mit 250 Leuten zu feiern, man im kostenlos nutzbaren öffentlichen Raum aber maximal fünf Freund*innen treffen und teilweise nicht einmal Alkohol konsumieren darf, dann hat das nichts mehr mit Pandemie-Bekämpfung zu tun, das ist reine Klassenpolitik gegen die ausgebeuteten Menschen in dieser Gesellschaft. Damit geht nicht nur ein großer Teil des Berliner Lebensgefühls verloren, die Hauptstadt wird damit endgültig zu einer Stadt der Reichen.

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