Aus jedem Versagen ein Versprechen machen

Die CDU kann im Netz mit ihren Wahlplakaten für die Bundestagswahl im September nicht punkten

  • Julia Trippo
  • Lesedauer: 3 Min.

Die heiße Phase der Bundestagswahl hat begonnen. Das kann man daran erkennen, dass politische Gegner*innen sich gegenseitig zum Rücktritt auffordern, Politiker*innen unfair von Medien behandelt werden und dass sich über Banalitäten wie Wahlplakate aufgeregt wird. Nun ja, ganz banal ist es nicht.

Parteien nutzen Wahlplakate während des Wahlkampfs als eine visuelle Form der Eigenwerbung. Darauf stehen wichtige Informationen wie der Wahltermin, Slogans und Wahlversprechen. Für einen Aufreger im Netz sorgten die Plakate der CDU zur Bundestagswahl im September. Angefeuert wurde das Ganze von »Bild«, die auf Twitter fragte: »Wen sieht man darauf? - So schummelt die CDU bei ihren Wahl-Plakaten.« Verlinkt war ein Artikel zur »Recherche« des Klatschblattes, dass einige Menschen auf den Werbeträgern der Christdemokrat*innen nicht echte Menschen, sondern Mitarbeitende der Partei sind. Klar ist es irreführend, wenn die CDU-Sprecherin wie eine Altenpflegerin mit einem Senioren posiert oder statt einer echten Polizistin die Vize-Chefin der Online-Kampagne »CDU-Connect« in Uniform abgebildet wird. Das kritisierte auch die Gewerkschaft der Polizei - Polizisten seien keine »Garnitur für Wahlprogramme«. Die Parteien sollten nicht mit Fake-Polizisten in deren Outfits für sich werben.

Abgesehen von diesem Fauxpas ist es aber so, dass die Leute, die uns im Fernsehen Zahnpasta, Nudeln und Autos verkaufen wollen, auch keine Zahnärzt*innen, Köch*innen oder Autoverkäufer*innen sind, sondern Schauspieler*innen, die bezahlt werden, so zu tun als ob. Warum gibt es bei den Wahlplakaten dann so einen Aufschrei? CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erklärte das Zustandekommen der Fotos mit pandemiebedingten Einschränkungen und Hygienestandards, weshalb für die Plakate keine Models oder eingekauften Bilder genommen worden waren.

Was viel problematischer ist und für Aufregung im Internet sorgt, ist die fehlende Diversität auf den Plakaten. Unpassend zum Wahlversprechen »Deutschland gemeinsam machen« sind auf den Plakaten der CDU keine Menschen mit erkennbarem Migrationshintergrund zu sehen. Ist mit Deutschland also nur die weiße Mehrheitsgesellschaft gemeint, nicht aber hiesige People of Color und Migrant*innen? Unsere Gesellschaft ist von Einwanderung geprägt. Etwa 26 Prozent, also fast ein Drittel der Menschen in Deutschland, haben eine Migrationsgeschichte. Sie alle wurden von der CDU nicht mitgedacht.

Für andere Twitter-Nutzer*innen hatte der eigentliche Skandal um die Wahlplakate aber nichts mit den Motiven zu tun. Viel schlimmer sei es, dass die Union nach 16 Jahren Stillstand (beziehungsweise Rückschritten) in allen wesentlichen Politikbereichen meint, sie sei jetzt die Kraft für gesellschaftlichen Aufbruch, schreibt ein User.

Passend dazu kursiert auf Twitter der CDU-Wahlkampf-Faktencheck. Gezeigt werden Wahlplakate und politische Kernversprechen der Partei; der Ersteller schreibt die Bilanz der Legislaturperiode dazu. Zustande kommt ein divergierendes Bild: Neben einem Wahlkampf-Baby steht: »2,55 Millionen Kinder in Armut«. Das Bild der Polizistin wird mit »Machtlos gegen rechte Netzwerke in der Polizei« versehen. Die CDU wirbt für bezahlbares Wohnen, aber das Internet hat nicht vergessen, dass dieselbe Partei den Mietendeckel gerichtlich kippen ließ. »Klima schützen, Jobs schaffen - sagt die Partei, die uns seit zwei Jahren vorhält, man könne wegen der Jobs keinen Klimaschutz machen - und zugleich zugunsten der Kohle zehntausend erneuerbare Jobs an die Wand fährt«, erbost sich Klimaaktivistin Luisa Neubauer.

Das eigentliche Problem ist also nicht, wer auf den Plakaten zu sehen ist, sondern vielmehr, was versprochen und dann nicht eingehalten wird. Wenigstens auf eine Sache ist tatsächlich immer Verlass: auf das Internet, das niemals vergisst und selbst die stärksten Player immer wieder zur Selbstreflexion zwingt.

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