Solidarisch oben ohne

Demonstration für die Gleichbehandlung der Nippel von Männern und Frauen in der Öffentlichkeit

  • Clara Zink
  • Lesedauer: 4 Min.

Bunte Perücken, bemalte Haut – und viele, viele Nippel: Mehrere hundert Menschen folgten am Samstag dem Aufruf der Hedonistischen Internationale und erschienen oberkörperfrei zur »Oben-Ohne-Fahrrad-Demo«. Anlass der Demonstration, die unter dem Motto »No nipple is free until all nipples are free« (Kein Nippel ist frei, bevor alle Nippel frei sind) stattfand, war der Platzverweis einer Frau von einem Wasserspielplatz in Treptow-Köpenick am 20. Juni, weil diese sich mit nacktem Oberkörper sonnte.

Gabrielle Lebreton hatte gemeinsam mit ihrem Sohn und einem Freund die »Plansche« besucht und war zunächst von zwei Parkaufsehern aufgefordert worden, sich etwas anzuziehen oder das Gelände zu verlassen. Nachdem sie der Aufforderung nicht nachkam, riefen die Parkaufseher die Polizei. Aus einem von Lebreton verfassten Gedächtnisprotokoll in der »Berliner Zeitung« geht hervor, dass die Polizisten anschließend aggressiv geworden sein und Lebreton angeschrien und dabei ihren Sohn verängstigt haben sollen. Letztendlich verließ die Gruppe den Wasserspielplatz. Die Parkaufseher begründeten den Verweis unter anderem mit der Anwesenheit von Kindern, die Polizei berief sich in ihrem Handeln auf einen Verstoß gegen den Paragraf 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, »Belästigung der Allgemeinheit«.

Der Fall veranlasste die Hedonistische Internationale zur spontanen Gründung der Sektion »Wilde Möpse«, die den Vorfall zum Anlass nahm, eine solidarische Fahrrad-Demo für körperliche Selbstbestimmung zu organisieren. Der Gruppe geht es dabei um Gleichberechtigung – wo Männer mit freiem Oberkörper durch die Gegend laufen, sollen Frauen das ebenso dürfen. Zum Auftakt auf dem Mariannenplatz betonten die Organisator*innen, dass es ihnen nicht nur um die Selbstbestimmung von Frauen gehe. »Körper, die nicht als cis-männlich wahrgenommen werden, dürfen nicht einfach so existieren«, hieß es in einem der Redebeiträge. Cis-männlich bedeutet, mit einer männlichen Geschlechtsidentität in einem biologisch männlichen Körper zu leben.

Die ursprünglich betroffene Gabrielle Lebreton nahm nicht persönlich an der Demonstration teil, stattdessen wurde ein Redebeitrag von ihr abgespielt, in dem sie den Teilnehmer*innen ihre Solidarität aussprach und klar machte: »Ich bin für Selbstbestimmung – egal, ob jemand Kopftuch oder keinen BH tragen möchte.« Noch vor dem Start des Fahrradkorsos machten die Organisator*innen auf das Awareness-Team aufmerksam, das bei übergriffigem Verhalten angesprochen werden könne. Der Dresscode, der bereits vorab auf allen Plakaten zu lesen war, lautete: »Oben ohne«, wobei alle so viel Brust zeigen sollten, wie er oder sie möchten – nur cis-Männer sollten ihre Brustwarzen an diesem Tag aus Solidarität bedecken.

Auch wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass keine Fotos von den Demonstrierenden ohne deren Einwilligung gemacht werden sollen. Einige, vor allem ältere, weiße und männliche Fotografen, schienen davon nichts mitbekommen zu haben. Viele von ihnen mussten immer wieder gebeten werden, nicht einfach Menschen zu filmen, ohne diese vorher um Erlaubnis zu fragen.

Mit ihren Fahrrädern fuhren die Oben-Ohne-Demonstrant*innen schließlich von Kreuzberg nach Neukölln und schließlich zum Tempelhofer Feld. Auf ihrem Weg löste der Fahrradkorso gemischte Reaktionen aus: Während manche vom Bürgersteig aus applaudierten, aus ihren Fenstern heraus ihre Zustimmung erklärten oder spontan ihr T-Shirt auszogen und sich an der Demonstration beteiligten, kam es vor allem mit Männern immer wieder zu Konflikten, weil sie die Protestierenden ungefragt mit dem Handy filmten. Innerhalb der Demonstration herrschte hingegen eine solidarische Stimmung: So warnten sich etwa Teilnehmer*innen gegenseitig, wenn fotografiert oder gefilmt wurde, oder standen sich bei Auseinandersetzungen zur Seite.

»Ich finde es cool, wenn man sich als Gemeinschaft so einen Raum gibt, um das mal auszuprobieren und dann zu gucken, wie viel es bewegt«, beschrieb die Demo-Teilnehmerin Johanna die Situation. »Sich so am Samstag zusammenzufinden und gemeinsam eine schöne Zeit zu haben, finde ich toll.« Auf dem Tempelhofer Feld lagen die Teilnehmer*innen dann noch eine gute halbe Stunde in der Sonne oder tanzten ausgelassen. Die Organisator*innen riefen anschließend dazu auf, weiter zur Trans-Pride zu ziehen, die ebenfalls am Samstag in Neukölln stattfand.

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