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Forscher: »Querdenker« werden weniger und radikaler
Splittergruppen bei den Protesten sind ein Ausdruck eines neuen Populismus
Bielefeld. Die vor einem Jahr gestartete sogenannte »Querdenken«-Bewegung ist nach Einschätzung des Extremismusforschers Andreas Zick zwar kleiner, aber radikaler und professioneller geworden. Sie habe sich professionalisiert und Netzwerke gebildet, sagte Zick in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch mit weniger Zulauf werde die Bewegung mit weiteren Aktionen auf sich aufmerksam machen und das Themenfeld erweitern. »Aktionen sehen wir jetzt mit der Demonstration am kommenden Sonntag, die auch dazu dient, die Bewegung zu sammeln«, erläuterte der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung.
Die »Querdenker« und die vielen Splittergruppen auf den Protesten seien Ausdruck eines neuen Populismus in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte, erläuterte Zick. Dort entwickele sich eine neue radikale, von Verschwörungen bewegte und scheinbar bürgerliche Widerstandsbewegung. Diese sei nicht einfach als »rechtsextrem« einzustufen, sie habe beispielsweise kein Gegenmodell zur Demokratie. Pandemien beförderten solche Entwicklungen, weil Freiheiten eingeschränkt und radikalisierungsfähige Ungerechtigkeitsgefühle verstärkt würden.
Das Ausmaß, wie die »Querdenken«-Bewegung das Thema »Widerstand und Freiheit« in Ideologien und Aktionen verbinde und von der Distanz zu etablierten Institutionen der Demokratie lebe, sei ähnlich wie bei den »Reichsbürgern«, erklärte der Wissenschaftler. Aktuell nutzten die sogenannten »Querdenker« die Diskussion um die Impfpflicht. Sie würden zunehmend auch auf den Themenfeldern Klima und Freiheitseinschränkungen aktiv.
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Dass sich »Querdenker« auch unter die Helfer in den Regionen der Flutkatastrophe mischen, ist nach den Worten Zicks keine Überraschung. Die Strategie sei es einerseits, global im Bund gegen die Regierung ab und an eine Großdemonstration zu veranstalten, um den »Bewegungscharakter« zu unterstreichen. Lokal würden sie aber vor Ort und im Internet handeln, Gruppen bilden und sich als wahre Vertretung des Volkes zeigen: »Wir kennen das alles aus dem Rechtsextremismus, der sich auch in den 1990er Jahren in Bürgerhilfen und lokal vor Ort gezeigt hat«, erklärte Zick.
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Die Querdenken-Bewegung sei »eine neue Heimat für Gruppen und Personen, die sich in ihren Ansichten radikalisiert haben, die rechtspopulistisch orientiert waren und solche Proteste zur Selbstinszenierung suchen«, erklärte Zick. Es sei auch eine Gemeinschaft für Enttäusche, Verunsicherte und Unzufriedene, die massive Orientierungslosigkeiten, Gefühle von Kontrollverlusten wie auch Ungerechtigkeitsgefühle hätten. Wie auch bei anderen Bewegungen gehe der Zulauf durch interne Machtkämpfe und eine Radikalisierung zurück. Auch dass Teile der Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet werden, schrecke ab. epd/nd
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