2,5 Milliarden Tonnen Lebensmittel verschwendet

Laut einer aktuellen Studie verursachen die Abfälle zehn Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes

  • Susanne Aigner
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Herstellung von Lebensmitteln verbraucht Land, Wasser und Energie. Für ihren Anbau werden weltweit rund viereinhalb Millionen Quadratkilometer Acker beansprucht. Das geht aus einem aktuellen Bericht hervor, den die Umweltorganisation World Wildlife Fund (WWF) und der britischen Handelskette Tesco herausgegeben haben.

Ressourcen werden aber auch verbraucht für die Lebensmittel, die während oder nach der Produktion verloren gehen oder in den Müll wandern. Die Verluste summieren sich auf 2,5 Milliarden Tonnen - 40 Prozent der weltweit erzeugten Lebensmittel. Bisherige Schätzungen der UN-Ernährungsorganisation FAO beliefen sich auf 1,2 Milliarden Tonnen. Diese Zahlen stammten allerdings aus dem Jahr 2011. Seither hat die Produktion von Nahrungsmitteln erheblich zugenommen - und damit auch der Abfall. Neu einberechnet wurden in der WWF-Untersuchung die Verluste während und nach der Ernte oder vor der Schlachtung und die mit den Verlusten verbundenen Treibhausgasemissionen.

Lebensmittelabfälle werden für zehn Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes verantwortlich gemacht - das ist das Doppelte der Emissionen, die von allen in den USA und Europa gefahrenen Autos erzeugt werden. Bisher lag diese Zahl bei acht Prozent. Das hat auch damit zu tun, dass Verluste, die vor und während der Ernte oder der Aufzucht von Tieren entstehen, in der EU-Abfallrahmenrichtlinie nicht als Lebensmittelabfälle definiert wurden. Auch Felderzeugnisse, die als Tierfutter oder zur industriellen Nutzung verwendet wurden, waren nicht erfasst. Dazu gehören tonnenweise frisch gebackenes Toastbrot im Tierfutter ebenso wie aussortierte Produkte, die nicht den Qualitätsanforderungen des Handels entsprechen. Manchmal fallen auch die Erzeugerpreise kurzfristig, dann pflügen Landwirte das Erntegut aus Kostengründen einfach unter. Diese externen Kosten der intensiven Agrarproduktion sind in den Lebensmittelpreisen in der Regel nicht enthalten.

Insgesamt werden durch intensive Landwirtschaft 15 bis 20 Prozent der weltweiten Treibhausgase verursacht. Ein Großteil geht auf das Konto der Herstellung tierischer Produkte. Dabei liefern Fleisch und Milch weniger als ein Fünftel der globalen Nahrungsmittelkalorien.

Die Erzeugung von Fleisch, Milch und anderen Tierprodukten ist außerdem für den Verlust an Biodiversität sowie für den Klimawandel verantwortlich. Beide beeinflussen sich gegenseitig, erklärten Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina kürzlich in einer Stellungnahme. Demnach nimmt die Erzeugung tierischer Produkte 60 bis 70 Prozent der globalen wie auch der europäischen Grünland- und Agrarflächen in Anspruch, wovon wiederum allein 40 Prozent für den Futtermittelanbau benötigt werden.

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In Südamerika gehen gut zwei Drittel der Regenwaldverluste auf das Konto der Fleischproduktion. In der Folge verarmen Böden, und es wird zu viel Wasser verbraucht. Über Kunstdünger wird zudem Stickstoffoxid in die Atmosphäre ausgestoßen. 80 Prozent des globalen Artenverlusts sind der Rodung von Wäldern und intensiver landwirtschaftlicher Nutzung geschuldet.

Um die Kosten durch den Verlust von Tier- und Pflanzenarten auszugleichen, fordern die Wissenschaftler der Leopoldina die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Steaks und Butter. Die Einnahmen hieraus sollten für mehr Biodiversitätsschutz und für Techniken zur Verringerung der Emissionen in der Tierhaltung eingesetzt werden. Weil im Ökolandbau die Bodenfruchtbarkeit eher gefördert wird, sollten Bioprodukte zudem steuerlich begünstigt werden. Ein anderer Ansatz ist, EU-Agrarsubventionen nur noch für umwelt- und grundwasserschonende Bewirtschaftungsformen zu zahlen, den Einsatz von Dünger und Pestiziden durch Abgaben auf diese Stoffe zu vermindern. Erwähnt wird auch die Wiedervernässung landwirtschaftlich genutzter Moore und die Erweiterung von Naturschutzgebieten.

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Auch in Europa fallen Kosten an, die nicht mit in die Lebensmittelpreise einfließen. So muss, weil viel Gülle auf die Felder ausgebracht wird, das nitratbelastete Grundwasser kostenintensiv wieder aufbereitet werden.

Laut FAO zufolge geht pro Minute fruchtbarer Boden von der Größe vom 30 Fußballfeldern verloren - insgesamt zwölf Millionen Hektar pro Jahr. Das alles unter dem Vorwand, die Welt ernähren zu müssen, kritisiert der niederländische Ökonom Volkert Engelsman im Deutschlandfunk. Die Umweltschäden aber müssten irgendwann von nachfolgenden Generationen bezahlt werden.

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