Wie man alte Jeans zu Geld macht

Die Bildmotive auf Banknoten gelten als wichtiges Kommunikationsmittel. Seit Jahren schwelt in den USA ein politischer Streit um die Neugestaltung der 20-Dollar-Note. Technisch steht bei der Herstellung allein die Fälschungssicherheit im Vordergrund

  • Anja Steinbuch und Michael Marek
  • Lesedauer: 9 Min.

Downtown Washington DC, nur einen Katzensprung vom Weißen Haus entfernt liegt die größte Geldfabrik der Vereinigten Staaten: das Bureau of Engraving and Printing (BEP). So der offizielle Name der US-amerikanischen Notendruckerei. Täglich rollen hier Dollarscheine im Wert von etwa 560 Millionen vom Band.

Über drei Straßenblocks erstreckt sich der gewaltige Gebäudekomplex. Sieben Stockwerke, davon zwei unterirdisch, umfasst das Stahlbeton-Bauwerk. Der Eingang mit seiner hellen neoklassizistischen Kalksteinfassade und den riesigen Säulen gleicht einer Festung. Hier kommt nur rein, wer für eine Führung angemeldet ist oder eine Sondergenehmigung hat. Wenn nicht gerade Pandemie ist, werden Besucher oberhalb der Produktionshallen abgeschirmt in einem panzerverglasten Gang durch die Druckerei geschleust - und können den Arbeitern an den Druckmaschinen live zuschauen.

Wir sind mit Lydia Washington verabredet. Die korpulente Endvierzigerin öffnet uns per digitaler Schlüsselkarte die erste Sicherheitsschleuse. Hinter einem schweren stählernen Drehkreuz und mehreren Türen beginnt der Produktionsbereich. Eine überdimensionale Uhr ist mit Dollarnoten geschmückt. Und George Washington, der erste Präsident der Vereinigten Staaten, blickt streng vom Dollar im Posterformat an der Wand.

Der Lärm ist ohrenbetäubend: Klimaanlage und Ventilatoren surren, die zehn Meter langen und zwei Meter hohen Druckmaschinen laufen auf Hochtouren. Doch kein Laut davon dringt nach draußen durch den Stahlbeton.

Paletten mit Druckbögen stehen herum, dazwischen arbeiten Drucker und Maschineningenieure. Einige laufen in blauen Overalls herum, andere in Muskelshirts. Es ist eng, stickig und patriotisch: Überall ist das Sternenbanner zu sehen.

Digitalisierung? Roboter? Fehlanzeige! Hier sind Handwerker gefragt. Es rumpelt, riecht nach Druckerfarbe und Maschinenöl. An einigen Stellen des Fußbodens haben sich kleine grüne Farbpfützen gebildet. Hier ist der Greenback zu Hause.

Das Herzstück der Produktion stammt aus Mödling bei Wien: eine Offsetmaschine der österreichischen Firma KBA. Ein Meter lange Papierbögen zischen mit einer Geschwindigkeit von 9000 bis 10 000 Bögen pro Stunde über die Walzen. Aus jedem Bogen werden später 32 Dollarnoten. Sie und die anderen Hochgeschwindigkeitspressen rotieren unentwegt wochentags 24 Stunden lang. Bei gerade einmal 3,6 Cent liegen die Herstellungs- und Papierkosten für jede Dollarnote.

»2003 kamen diese modernen Druckmaschinen erstmals zum Einsatz«, erklärt Drucker James Sutherland. »Damals waren es nur die Zwanziger. Inzwischen drucken wir alle Noten bis fünfzig Dollar.« Drei Druckpressen laufen hier in Washington DC, eine für Zwanziger, eine für Zehner, eine für Fünfer. Ein Jahr im Voraus gibt die Zentralbank ihre Bestellung an das BEP.

Etwa 1,7 Billionen Dollar sind derzeit als Bargeld weltweit im Umlauf. Laut Federal Reserve kursiert davon nur ein Drittel im eigenen Land. Jede dritte Note zeigt die kleinste Einheit: einen Dollar mit dem Porträt von George Washington. Der wacht auf der Vorderseite, die Rückseite zeigt den Wappen-Adler und eine Pyramide, an deren Spitze das sogenannte »Auge der Vorsehung« in einem Dreieck die göttliche Dreifaltigkeit darstellt - ein Symbol, das auch von den Freimaurern benutzt wird.

Am 29. August 1862 wurde die Behörde gegründet. Damals arbeiteten vier Frauen und zwei Männer für das BEP. Ihre Aufgabe: die von privaten Druckereien hergestellten Ein- und Zwei-Dollar-Noten mit Siegeln und Nummern zu versehen. Doch seit 1877 werden nur hier in Washington und einer kleineren Außenstelle alle Dollarnoten der USA gedruckt, sagt BEP-Mitarbeiter Frank Noll: »Die historische Leistung der Federal Reserve bestand darin, die verschiedenen Währungen, die es bis 1862 in den USA gab, zu beschränken.«

Nur das Grün ist gleich geblieben

Der Historiker forscht fünf Stockwerke weiter oben im Archiv und erklärt, dass es in den wilden Anfangsjahren der USA bis zu elf unterschiedliche Banknoten gab. »Jede Bank konnte damals nach Gutdünken ihr eigenes Geld drucken. Die Federal Reserve hat es geschafft, das Erscheinungsbild der Banknoten zu vereinheitlichen. Natürlich haben sich im Laufe der Zeit die Dollarnoten verändert - im Aussehen, in ihrer Größe oder in der Zusammensetzung des Papiers, das verwendet wurde.« Nur das Grün, dass dem Greenback seinen Namen gegeben hat, ist immer gleich geblieben.

Historiker Noll ist zuvorkommend und freundlich. Im blau gestreiften Hemd mit dunkelblauer Krawatte klemmt statt Einstecktuch ein Kugelschreiber in der Brusttasche. Seriosität und Akribie strahlt das aus. Der Endfünfziger mit Glatze und feiner Designerbrille will oder kann Fragen zu den Mitarbeitern nicht beantworten. Noll beharrt auf Diskretion. Nur so viel: Für den Job werden umfangreiche Recherchen zum Vorleben gemacht, man geht sieben Jahre zurück im Leben. Mehr ist ihm nicht zu entlocken.

Uramerikanisch ist nicht nur der Dollar, sondern auch sein Ausgangsmaterial: gebrauchte Bluejeans. Gewaschen, geschreddert, gebleicht, daraus stellt das Familienunternehmen Crane in Massachusetts für die Notendruckerei den Rohstoff her, der später zu Geld wird.

Andere Länder setzen auf andere Materialien: Während zum Beispiel der Schweizer Franken aus einer Kombination von Papier- und Kunststoffschicht besteht, was ihm seine mechanische Stärke verleiht, haben Australien, Neuseeland und Kanada ganz auf Kunststoffnoten umgestellt. Der Hintergrund für die Materialwahl: Kunststoff soll widerstandsfähiger und haltbarer sein. Allerdings hat sich gezeigt, dass starke Hitze den Noten nicht gut bekommt. Moderne Euronoten bestehen aus reinem Baumwollpapier. Eingearbeitet sind ein Silberband und spezielle Fasern, die unter UV- und Infrarotlicht leuchten. Bei der Produktion wird zudem durch Variieren der Papierdicke ein Wasserzeichen integriert.

Der Dollar hingegen ist als Schein ein recht empfindsames Wesen: Bei Feuchtigkeit und niedrigen Temperaturen haben Pilze leichtes Spiel und zersetzen die Weltwährung Nummer eins. Soweit es um die Papierqualität geht, ist der Dollar alles andere als eine harte Währung: US-Noten bestehen zu 75 Prozent aus Baumwolle und zu 25 Prozent aus Leinen, dafür sind die Produktionskosten geringer. Ob der Jeans-Dollar auch anfälliger für Fälschungen ist, wollen wir von Historiker Noll wissen: »I can’t comment on that!«

1862, nach seiner Einführung, wurde der Greenback schnell als Zahlungsmittel in den USA akzeptiert und trug auch zur Geburt der US-Nation nach dem Bürgerkrieg mit bei. Doch der Mythos, der die Weltwährung Nummer eins umgibt, ist erst sehr viel später entstanden, erklärt Noll: nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein starker Dollar sei im Interesse der USA. Auf dieser Doktrin gründen sieben Jahrzehnte ökonomischer Vorherrschaft der USA. Dabei habe die US-Wirtschaft stets von der Rolle des Dollar als globaler Reserve- und Handelswährung profitiert, so der Historiker.

Zwei Frauen kamen auf Geldscheine

Die Motive, die den Dollar bis heute zieren, können auch als eine Art Geschichtsbuch gelesen werden - vor allem, wenn man die Personen betrachtet, die sich auf den Scheinen finden: »Dollarnoten sind eine sehr spezialisierte Art zu kommunizieren«, sagt Noll. »Werbedesigner argumentieren, dass der Dollar zu einem Markennamen für die Vereinigten Staaten geworden ist. Wer immer einen Dollar in der Hand hält: Zusammen mit den Köpfen historischer Persönlichkeiten wirkt er wie ein Statement.« Früher richtete sich das vor allem an die US-Amerikaner, heute zielt der Dollar auch auf ein internationales Publikum.

Der Historiker weist auf die fehlende Gleichberechtigung hin: Nur zwei Frauen war es bisher vorbehalten, als Motiv den Greenback zu zieren: die Präsidentengattin Martha Washington und die indigene Häuptlingstochter Pocahontas. Beide Noten werden seit über 100 Jahren nicht mehr gedruckt.

Das sollte sich eigentlich 2022 ändern. Anlässlich des 200. Geburtstages der schwarzen Sklavenbefreierin und Bürgerrechtlerin Harriet Tubman. Deren Konterfei sollte die Vorderseite der neuen 20-Dollar-Note zieren. So hatte es die Obama-Administration 2016 beschlossen. Doch das Vorhaben wurde zum Politikum und während der Präsidentschaft von Donald Trump auf Eis gelegt. Doch nur wenige Tage nach seiner Amtseinführung wurde die Idee des Tubman-Dollar von Joe Biden erneut vorangetrieben. Ein konkretes Datum gibt es bisher allerdings dafür nicht.

Zurück im Erdgeschoss in der Produktionshalle kontrollieren James Sutherland und Abteilungsleiter Ed Mejia die Druckqualität der frischgedruckten Noten. Dafür wird jeder Bogen mit Digitalkameras nach Fehlern gescannt. Nur zwei Prozent der Dollarnoten sind fehlerhaft, erklärt Mejia. Und: In der Druckerei werde mit dem Spezialpapier sparsam umgegangen. Ist nur ein Teil eines Bogens als Fehldruck identifiziert, wird nur dieser Teil geschreddert, nicht der ganze Bogen. Trotzdem geraten manchmal Noten mit kleinen Fehlern in Umlauf. »Die werden auf Sammlerbörsen und im Internet mit Gold aufgewogen«, so der Druckexperte.

Für die nächste Phase der Geldwerdung schiebt Kollege Sutherland die etwa ein Meter hohen quadratischen Dollarstapel in einen Tresorraum zum Trocknen. Anschließend kommen die Dollarnoten ins Tiefdruckverfahren für Gravuren und weitere haptische Details.

Etwa 1700 Angestellte arbeiten für die US-Notendruckerei, die meisten davon als Polizisten und Wachpersonal. Sie sind sich ihres Privilegs bewusst: Sie haben die Lizenz zum Gelddrucken und verdienen obendrein gut dabei. Ihr durchschnittlicher Verdienst lag 2017 bei 93 000 US-Dollar und war damit fast doppelt so hoch wie der Schnitt der übrigen US-Amerikaner. Wer hier arbeitet, hat also keinen Grund, Scheine mitgehen zu lassen.

Auch Michael Dumarasky nicht. Der Endfünfziger arbeitet seit 24 Jahren für das Bureau of Engraving and Printing. Dumarasky überprüft mit Hilfe eines Speziallesegeräts die Qualität des Tiefdruckverfahrens und der Sicherheitsmerkmale. Vor unseren Augen erhält jeder einzelne Schein seine fortlaufende Seriennummer und die Siegel von Bundesdruckerei und Zentralbank.

Dumarasky hält einen Bogen mit nummerierten Noten in die Luft. Nur so können die Besucher, die oberhalb der Produktionshalle stehen, tatsächlich etwas erkennen. Rund eine Million kommen in normalen Jahren. Was sie aus der Vogelperspektive nicht sehen können, ist die individuelle Zusammensetzung der Seriennummer. Eine neue Serie beginnt immer im Jahr der Amtseinführung einer neuen Regierung. Jetzt also 2021.

Über eine Walze laufen sie direkt in ein von Schutzwänden verstecktes Messer: Die Maschine zählt, ordnet und bündelt immer 100 Noten zusammen. Zehn Bündel werden in Plastik geschweißt. Dumarasky legt die 20 000-Dollar-Pakete auf einen Stapel, zeigt den Aufkleber mit Seriennummer und Wert und packt alles auf einen Rollwagen, der weggeschoben wird. Solange die Dollarnoten nicht an die Notenbanken ausgeliefert und die Seriennummern freigegeben wurden, sind sie wertlos.

Am Ende der Tour gibt es eine 100-Dollar-Note - allerdings geschreddert in unzählige winzige Schnipsel. Die so zerstörten Noten werden im Ausstellungsshop in Pfund abgewogen. Preis: 45 Dollar für den Fünf-Pfund-Sack. Eine ähnlich hohe Inflation wie die von Venezuela!

Am Ausgang des BEP blickt George Washington streng von der riesigen Ein-Dollarnote. Der erste Präsident der Vereinigten Staaten wacht auch 222 Jahre nach seinem Tod per Note über Volk und Land. Das ist die Botschaft: uneingeschränkt und mächtig.

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