Lima droht auszutrocknen

Das Bergbauprojekt Ariana gefährdet die Wasserversorgung der peruanischen Hauptstadt

  • Knut Henkel, Lima
  • Lesedauer: 7 Min.
Viele ärmere Wohngegenden von Lima sind nicht an die Wasserversorgung angeschlossen.
Viele ärmere Wohngegenden von Lima sind nicht an die Wasserversorgung angeschlossen.

Der Tankwagen schlingert die Buckelpiste entlang, die nach Pamplona Alta führt. Das Armenviertel ragt in einen der schmutzig-grauen Geröllberge hinein, die die Umgebung der peruanischen Hauptstadt Lima prägen. Hier ist die staatliche Wasserversorgung noch nicht angekommen.

Sedapal heißt das Unternehmen, das in Lima für Wasser- und Abwasser verantwortlich ist und unter dessen himmelblauem Schriftzug eine Welle zu sehen ist. 1962 wurde das Unternehmen gegründet und von Beginn an hatte die Belegschaft alle Hände voll zu tun, um jeden Stadtteil der stark wachsenden Metropole mit Wasser zu versorgen und an das Abwassersystem anzuschließen. Bis heute ist das eine Mammutaufgabe, denn Lima liegt ähnlich wie Kairo in einer Wüste. In Stadtvierteln wie Pamplona Alta, Villa María del Triunfo oder Pacifico de Villa sind längst nicht alle Haushalte an die Leitungen angeschlossen. Von den knapp zwölf Millionen Einwohner*innen der Hauptstadt haben rund 635 000 Menschen keinen Wasseranschluss, betont die Gewerkschaft Sutesal, in der die Sedapal-Mitarbeiter organisiert sind.

Die Bewohner*innen müssen dann per Tankwagen versorgt werden. »Das ist teuer, und das gelieferte Wasser hat oft eine miese Qualität«, erklärt Diana Espinosa, die pro Woche ungefähr 50 Soles, umgerechnet zwölf Euro, für 2500 Liter Wasser zahlt. Die Wasserausgaben ihrer Familie in Pacifico de Villa liegen deutlich über dem, was eine Familie mit einem Leitungsanschluss in den Stadtvierteln der Besserverdienenden wie San Isidro zahlen muss.

Mine bedroht Trinkwasserquelle

An dieser Situation wird sich vorerst kaum etwas ändern. Denn der staatliche Dienstleister steht vor der großen Herausforderung, die Verfügbarkeit von Wasser genauso wie dessen Qualität zu garantieren, sagt Edwin Alejandro Berrospi. Der Geologe vom Umweltschutz-Netzwerk Red Muqui ist Mitautor einer im vergangenen Jahr erschienenen Studie über die Risiken für die Wasserversorgung in der Metropolregion Lima und darüber hinaus. »Die Kosten für die Trinkwasseraufbereitung durch Sedapal nehmen massiv zu, weil immer häufiger die Grenzwerte für Schwermetalle wie Arsen, Kadmium, Blei und andere Metalle überschritten werden.« Dafür seien Abraumhalden in der Nähe von Flüssen wie dem Rimac verantwortlich, aus denen kontaminiertes Wasser in den Untergrund oder durch Dämme sickert.

Der Rimac ist einer von drei Flüssen, die Lima mit Wasser versorgen – und zwar der wichtigste. Doch die Bedrohung der Wasserqualität beschränkt sich nicht nur auf die unmittelbare Umgebung der Hauptstadt. Über den Rimac gelangt nämlich auch das Wasser aus dem transandinen Kanal Cuevas Milloc aus der 120 Kilometer entfernten Hochgebirgsregion Marcapomacocha nach Lima. Sie liegt 4400 Meter über dem Meeresspiegel, besteht aus einem spektakulären Netz von Lagunen, Feuchtgebieten, Bergen und Wasserfällen. Die Landschaft, auf der auch Alpacas und Vicuñas gehalten werden, lockt vor allem am Wochenende viele Besucher*innen an, die von Guides auf den Rundwegen begleitet werden.

Mit dem Wasserwagen werden in Lima rund 635 000 Menschen versorgt.
Mit dem Wasserwagen werden in Lima rund 635 000 Menschen versorgt.

Doch die einzigartige Natur von Marcapomacocha ist akut bedroht. Das Bergbauprojekt Ariana hat 2016 eine Genehmigung für eine Mine erhalten, die unterirdisch jeden Tag 2000 Tonnen Kupfer und Zink sowie etwas Silber und Gold fördern soll.

»Wie kann es sein, dass eine Mine genau dort gebaut werden darf, woher wir unser Trinkwasser beziehen«, ärgert sich José de Echave, der die Entwicklungsorganisation Cooper Acción gegründet hat und 2011 Vizeumweltminister in Peru war. »In der Trockenzeit zwischen April und November stammen etwa 62 Prozent der Wasserversorgung Limas aus der Region Marcapomacocha. Eine Mine und deren Abraumhalde in direkter Nähe eines derart wichtigen Wasserkanals zu genehmigen ist fahrlässig, warnt der 67-jährige Ökonom. «Denken Sie an Brumadinho!»

Die Kleinstadt Brumadinho im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais steht für eine der größten Katastrophen im Bergbau. Am 25. Januar 2019 barst dort der Damm einer Eisenerzmine, und eine hochgiftige Schlammlawine wälzte sich über die Mine und die Häuser in der Umgebung. 270 Menschen starben, der Fluss Paraopeba und das umgebende Ökosystem wurden weitgehend zerstört.

Ein solches Horrorszenario könnte sich auch in Marcapomacocha wiederholen, befürchtet José de Echave. Auch bei dem Projekt Ariana entstehen Abraumhalden und Rückhaltebecken für kontaminiertes Wasser. «Erschütterungen durch die Sprengungen in der Mine sind genauso ein Risiko wie das Durchsickern von kontaminiertem Wasser in den Untergrund oder eben ein Dammbruch.»

Klage gegen das Vorhaben

Vor einem solchen Unglück warnen zahlreiche Expert*innen, darunter auch die Fachleute von Sedapal. Die haben bereits früh auf die Risiken des Förderprojekts aufmerksam gemacht, trotzdem hat das Bergbauministerium die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgewinkt. Daraufhin haben José de Echave und die Parlamentsabgeordneten Marisa Glave und Katia Gilvonio eine Unterlassungsklage eingereicht, weil sie das Grundrecht der Bevölkerung auf den Zugang zu Trinkwasser gefährdet sehen.

In einer ersten Verhandlung errangen sie einen Teilerfolg. Anfang April 2025 hat der Oberste Gerichtshof von Lima anerkannt, dass das Bergbauprojekt eine «ernste und imminente Bedrohung für die Wasserversorgung Limas» darstellt. Allerdings hat das Gericht das Vorhaben, dessen Weiterbau seit Januar 2023 ruht, nicht grundsätzlich gestoppt. Das hatten die Kläger*innen gefordert. Es hat nur das Unternehmen hinter dem Projekt, Alpayana SAC, dazu verpflichtet, eine weitere Umweltverträglichkeitsstudie zu erstellen. Dafür hat das Unternehmen, das erst vor ein paar Monaten das Bergbauprojekt vom Konkurrenten Southern Peaks Mining übernommen hat, nun zwölf Monate Zeit.

Von dem Urteil des Obersten Gerichtes ist José de Echave enttäuscht, weil es eine grundsätzliche Entscheidung nur um zwölf Monate verschoben hat. Dabei ist die Sachlage für ihn klar: «Das Projekt Ariana ist nachweislich ein Risiko für die Trinkwasserversorgung der Metropolregion Lima. Es hätte annulliert werden müssen. Zumal wir hier nur über Investitionen von 200 Millionen US-Dollar reden», betont er. In dem verhalten agierenden Gericht sieht er die Gefahr, dass der Bergbau künftig Vorrang gegenüber den Rechten der Bevölkerung in Peru haben könnte.

Denn der soll in den kommenden Jahren enorm ausgeweitet werden. Auf 54 Milliarden US-Dollar taxiert die peruanische Regierung die Investitionen in den Bergbau für die nächsten zehn Jahre. Das Projekt Ariana in Marcapomacocha ist da nur eine kleine Nummer.

Diesen Absichten sieht Jennie Dador Tozzini mit Sorge entgegen. Schon jetzt komme es immer wieder vor, «dass Bergbauprojekte gegenüber der Wasserversorgung von Millionen von Menschen Priorität genießen», kritisiert die Koordinatorin des Dachverbandes der Menschenrechtsorganisationen. Derzeit gebe es bereits Dutzende von Konflikten rund um laufende oder geplante Bergbauprojekte, sagt sie in ihrem Büro und deutet auf die Unterlagen der Ombudsstelle für Menschenrechte.

Peru zählt zu den weltweit wichtigsten Lieferanten für Kupfer, Blei und andere Industriemetalle, aber auch Gold, Silber und Platin werden in erheblichen Mengen gefördert. Das sind zentrale Gründe, weshalb der Bergbau eine immens einflussreiche Lobby habe, erläutert Dador Tozzini.

Doch das Bergbauprojekt Ariana unterscheidet sich von anderen Minen. Dort ist der ökonomische Schaden viel größer als der Nutzen. «Die Investitionen von Sedepal in die Wasserversorgung liegen deutlich über dem, was Alpayana SAC in das Projekt investieren will», erläutert der Studienautor Berrospi. «Hier fällt die ökonomische Kosten-Nutzen-Analyse alles andere als positiv aus.» Das ist auch ein Grund, weshalb der Wasserversorger Sedapal seit 2021 als Nebenkläger im Prozess gegen das Projekt Adriana agiert, neue Studien vorgelegt hat und darauf verweist, dass die bergbaubedingten Kosten für die Trinkwasseraufbereitung steigen.

Diesen Aspekt hätten die Richter bisher kaum berücksichtigt, moniert Berrospi. Er plädiert für eine Gesetzgebung, die mit dem Bergbau einhergehende Risiken für die Umwelt reduziert. «Eine solche ist in Peru jedoch angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament kaum durchsetzbar», meint José de Echave. Eher das Gegenteil ist der Fall. Im März verabschiedete der Kongress ein Gesetz, das Nichtregierungsorganisationen stärker kontrolliert und deren Aktivitäten reglementiert. Für Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen, die Finanzierungen aus dem Ausland erhalten, wird der Spielraum dadurch eingeschränkt.

Das könnte auch für Cooper Accion negative Folgen haben. Doch die Organisation gibt sich weiterhin kämpferisch. José de Echave verweist darauf, gut vernetzt und juristisch gut beraten zu sein. Sie will bis zur letzten Instanz gegen das Bergbauprojekt Ariana klagen. Das wird noch mindestens ein Jahr dauern, glaubt der Ökonom.

Dabei geht es um weit mehr als nur eine Mine. Mit geplanten Bergbau-Investitionen von 54 Milliarden US-Dollar in den nächsten zehn Jahren steht Peru vor einer Grundsatzentscheidung: Soll der Rohstoffabbau Vorrang vor der Wasserversorgung der Bevölkerung haben? Das Verfassungsgericht wird nicht nur über das Schicksal von Marcapomacocha entscheiden, sondern einen Präzedenzfall für ähnliche Konflikte im ganzen Land schaffen.

«Die Kosten für die Trinkwasseraufbereitung durch Sedapal nehmen massiv zu, weil immer häufiger die Grenzwerte für Schwermetalle wie Arsen, Kadmium, Blei und andere Metalle überschritten werden.»

Edwin Alejandro Berrospi Umweltschutz-Netzwerk Red Muqui

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