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Alle mit der AfD gegen den Bürgermeister
Gemeinsamer Abwahlantrag sämtlicher Fraktionen in Zehdenick sorgt für Wirbel
Erst seit Sommer 2019 ist Zehdenicks Bürgermeister Bert Kronenberg (parteilos) im Amt, hat aber bereits praktisch die gesamte Stadtverordnetenversammlung gegen sich aufgebracht. Es sei eine »Summe aus vielen Bausteinen«, sagt SPD-Fraktionschef Hartmut Leib, er spricht von Mängeln in der Führung der Stadtverwaltung und bei der Umsetzung von Beschlüssen des Stadtparlaments. »Missmut ist in allen Fraktionen erwachsen«, erklärt Leib.
Bis auf den Bürgermeister selbst, Reiner Merker (Grüne) und den aus der AfD ausgetretenen Franklin Jahn haben nun alle Mitglieder des Stadtparlaments einen Antrag unterschrieben, Bert Kronenberg durch einen Bürgerentscheid abwählen zu lassen, wenn er nicht noch von allein aufgibt. Ihm bleibt dazu mindestens ein Monat Zeit.
Der Fall sorgt für Aufsehen. »Gemeinsame Sache mit der AfD zu machen ist inakzeptabel. Ich bin schwer enttäuscht von den demokratischen Parteien«, erklärt am Mittwoch Grünen-Landeschefin Julia Schmidt. Sie fordert die Landesverbände von SPD, Linke, CDU und FDP auf, »darauf hinzuwirken, dass dieser gemeinsame Antrag zurückgezogen wird«. Eine Zusammenarbeit mit der AfD müsse auch auf kommunaler Ebene kategorisch ausgeschlossen bleiben. »Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die Brandmauer gegen Rechtsextremismus muss stehen. Ihr Fundament wird in der Kommunalpolitik gelegt«, so Schmidt.
Ihr Parteifreund, der Stadtverordnete Merker, bedauert, dass der Eindruck entstehe, »dass die Abgrenzung gegen extrem Rechts von den anderen Parteien in Zehdenick offensichtlich nicht ernst genommen wird«. Schon lange sei zu beobachten, dass die anderen Parteien ausblenden, »was die AfD für eine Partei ist«. Merker nimmt für sich in Anspruch, in den vergangenen zwei Jahren als Einziger konsequent immer gegen die Anträge der AfD gestimmt zu haben. Selbstredend unterstütze er deshalb auch den Abwahlantrag nicht.
SPD-Fraktionschef Leib versichert dem »nd« dagegen, es habe in Zehdenick noch keinen solchen Fall gegeben. »Es wird ansonsten weiterhin keine politische Zusammenarbeit mit der AfD geben«, beteuert er.
Claus-Dieter Wilksch und Holger Linstedt, die beiden Stadtverordneten der Linkspartei, fuhren am Mittwochnachmittag zu ihrem Kreisvorstand nach Oranienburg, Nach anderthalb Stunden Unterredung sagt der Kreisvorsitzende Enrico Geißler dem »nd« einen Satz, den er nach eigener Darstellung mit Wilksch und Linstedt abgesprochen hat: »Der Kreisvorstand hat sie ausdrücklich gebeten, noch mal mit allen demokratischen Kräften das Gespräch zu suchen und eine Lösung unter Demokraten zu finden.« Wie Geißler sagt, wollen die beiden Kommunalpolitiker das wirklich versuchen.
Der Vorgang erinnert an Ingo Paeschke, seines Zeichens Linksfraktionschef im Stadtparlament von Forst (Spree-Neiße). Paeschke hatte im Mai 2020 bei einem Pressegespräch Seite an Seite mit AfD-Fraktionschef Konstantin Horn einen Vorschlag zum Bau eines Jugendzentrums vorgestellt. Zu diesem Termin war auch noch in die Geschäftsstelle der Linkspartei eingeladen worden, weil die AfD in Forst über keine geeigneten Räume verfügt. Nach langen, aber ergebnislosen Diskussionen wurde Paeschke im September 2020 aus der Partei ausgeschlossen. Denn das von ihm praktizierte Zusammengehen mit der AfD »verletzt einen elementaren Grundkonsens der Linken«, hat Landesparteichefin Anja Mayer seinerzeit erklärt. Paeschke wollte nicht einlenken und räumte erst sehr spät ein, vielleicht einen Fehler gemacht zu haben.
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