Unter Linden und Haselnüssen

Berlins Prachtboulevard soll grüner werden, der Individualverkehr verschwinden - Sentatsverwaltung für Umwelt und Verkehr stell Umgestaltungspläne vor

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Straße Unter den Linden im Bezirk Mitte soll neu gestaltet werden. Am Montag stellte die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in einer Online-Pressekonferenz ihre Pläne für eine schrittweise Umgestaltung sowie ihre Vorschläge für eine langfristige Weiterentwicklung von Berlins ältestem Prachtboulevard vor. Zugleich lud sie Bürgerinnen und Bürger ein, sich im Internet auf der Beteiligungsplattform Mein.Berlin.de über die ersten Ideen zur Neugestaltung zu informieren - und selbst Vorschläge abzugeben. Die Straße ist Teil des Bundesstraßennetzes in der Hauptstadt und steht unter Flächendenkmalschutz. Und dennoch steht vieles zur Disposition. Sogar die berühmten Linden könnten einst Gesellschaft durch neu zu pflanzende Haselnuss-Bäume erhalten.

»Unter den Linden ist eine der bedeutendsten Straßen Berlins, ein weltberühmter Boulevard - der nach den langen Jahren mit der U5-Baustelle endlich wieder sichtbar und neu gestaltbar wird«, sagte Senatorin Regine Günther (Grüne). Von Anfang an seien die Berliner eingeladen, ihre Ideen zur künftigen Gestaltung einzubringen. »Um diesen Stadtraum auch in Zeiten der Erderhitzung lebenswert und attraktiv zu gestalten, werden wir insbesondere mehr Grün und mehr entsiegelte Fläche schaffen. Und wir werden den Straßenraum zugunsten des Umweltverbunds aus Rad-, Fuß- und Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) sicher umgestalten.«

Geschichte des Boulevards Unter den Linden
  • Die 61 Meter breite Straße in Berlin-Mitte mit ihren Prachtbauten verbindet auf 1,5 Kilometern Länge das Brandenburger Tor am Pariser Platz mit dem Forum Fridericianum, dem Reiterstandbild Friedrichs II. und der Schlossbrücke. Bepflanzt ist sie heute mit Kaiser-Linden.

Die »Linden« waren so etwas wie die gute Stube der DDR-Hauptstadt, eine Bummelmeile mit Schaufensterfunktion, umtost vor allem auch vom regen Auto- und Busverkehr der Berlin-Besucher. Es gab neben zahlreichen Sehenswürdigkeiten und namhaften Kultur- und Bildungseinrichtungen exklusive Hotels, Bars und sogar außergewöhnlich noble Geschäfte wie den Havanna-Laden oder das Geschäft der Porzellan-Manufaktur Meissen. Und wer wollte, konnte auch einfach nur flanieren - bis zu den DDR-Grenzanlagen an der Otto-Grotewohl-Straße (heute wieder Wilhelmstraße). Der Umweltverwaltung gehe es darum, die Straße Unter den Linden zwischen Pariser Platz und Schlossbrücke mit einem grundlegenden Umbau zu einem attraktiven Hauptstadtboulevard aufzuwerten, wie Senatorin Günther betonte. Im Einklang mit dem Denkmalschutz soll eine neue Gestaltung mehr Aufenthaltsqualität, mehr Platz für den Umweltverbund und insbesondere langfristig auch mehr Klimaresilienz in Form von Stadtgrün und Versickerungsflächen bieten.

Die Modernisierung des Boulevards soll in mehreren Phasen stattfinden und mit einer Zwischenlösung beginnen. Sie fuße grundsätzlich auf der seit 1936 beibehaltenen Gestaltung mit zwei je 14 Meter breiten Richtungsfahrbahnen, einer 17,50 Meter breiten Mittelpromenade und zwei Gehwegen von je 7,70 Metern Breite, wie Lutz Adam, Leiter der Tiefbauabteilung der Umweltverwaltung, informierte. Am 8. Oktober sollen die Bauarbeiten beginnen - der Sanierung der Fahrbahndecke werde sich eine Neuaufteilung des Straßenraums anschließen. Vorgesehen sei, dass Radfahrende, Busse und Autoverkehr jeweils eine Fahrspur erhalten. Neu sei, dass so ein freier Streifen entstehe - für das Parken von Fahrrädern und E-Rollern, für Car-Sharing und Behinderten-Fahrzeuge, Lieferverkehr und Bushaltestellen. Abhängig von der Witterung wolle man Anfang 2022 fertig sein.

Keine festen Pläne gebe es für die langfristige Neugestaltung - es liegen derzeit verschiedene Ideen der Verwaltung für einen Neuzuschnitt des Straßenraumes zugunsten einer breiteren Mittelpromenade und zur Verdrängung des motorisierten Individualverkehrs vor. Im Zuge einer notwendigen Neubepflanzung - nur ein Viertel des heutigen Baumbestandes gilt als gesund - wird für die Zukunft auch das Setzen zusätzlicher Reihen von Nussbäumen diskutiert. Viele dieser Ideen bergen Konfliktpotenzial, ist doch spätestens beim Eingriff in Sichtachsen der Einspruch des Denkmalschutzes zu erwarten. Zudem stehen notwendige Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium aus.

Auch wenn die »Linden« eine nur mäßig befahrene Bundesstraße seien, habe hier der Bund das Sagen, so Adam. Und es gehe auch nicht allein um die Neugestaltung der »Linden«, wie Senatorin Günther betonte. Für sie geht es längst darum, mit dem Bund über eine künftige Verlegung aller Bundesstraßen aus der Innenstadt zu reden, beispielsweise über den Autobahnring. Den Zeithorizont für den Beginn der Neugestaltung hat Adam vorsichtig auf 2028 angesetzt. Bauzeit: vier Jahre.

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