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Protest vor neuem Abschiebegefängnis
In Schleswig-Holstein fordern Aktivist*innen lautstark die Freilassung der Inhaftierten
Gerade einmal wenige Wochen ist es her, dass das gemeinsame Abschiebegefängnis für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern in Glückstadt an der Unterelbe seinen Betrieb aufgenommen hat. Am Samstag fand eine erste lautstarke Kundgebung vor der Anstalt statt. Für die Aktivist*innen gehört der gesamte Themenkomplex vor allem in diesen Tagen der Koalitionssuche dringend auf die politische Agenda.
Das Gefängnisgebäude, das mit seinen sechs Meter hohen Außenmauern und seinem Überwachungsapparat allein schon optisch einem Hochsicherheitstrakt gleicht, wurde von den Aktivist*innen am Samstag mit lauter Reggaemusik beschallt. In den Musikpausen gab es mehrere kurze Redebeiträge und Botschaften auf Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und Russisch. Und immer wieder wird eine Hotline aufgerufen, an die Inhaftierte sich wenden können, um Kontakt zu einer örtlichen Besuchsgruppe zu bekommen. Knapp 50 Kundgebungsteilnehmer*innen harrten 90 Minuten aus. Den weitesten Weg hatte dabei eine kleine Gruppe aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Polizei vor Ort achtete vor allem darauf, dass der Protest den vorbeifließenden Verkehr nicht stört.
Zu einem Kontakt mit der Besuchsgruppe ist es bisher noch nicht gekommen. Ein erster vereinbarter Termin hinter den Gefängnismauern ist geplatzt. »Wir bekamen kurzfristig einen Anruf, dass der Abschiebekandidat entlassen worden sei – aber was heißt entlassen? Weitere Informationen haben wir nicht bekommen«, schilderte Frederik aus der Glückstädter Gruppe. Er kann nicht einmal sagen, ob man die mehrsprachigen Informationshinweise für Inhaftierte ausgehängt hat.
Die Informationspolitik des schleswig-holsteinischen Innenministeriums bleibt bisher eher dünn. Die modernisierte und umgebaute Abschiebeeinrichtung in der früheren Marinekaserne ist ausgerichtet für insgesamt 60 Haftplätze, je 20 pro beteiligtem Bundesland. Aktuell werden aber nur maximal zwölf Plätze genutzt, wie Wolfgang Kossert vom Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge auf nd-Anfrage mitteilt.
Die Belegungszahlen sollen ab Mitte Oktober jeweils einmal monatlich veröffentlicht werden. Kossert versicherte lediglich, dass derzeit keine Frauen in Glückstadt untergebracht werden. Die bisher schwache Auslastung hat vor allem mit der schwierigen Personalstellenbesetzung für die Abschiebehaftanstalt zu tun. Erst am 24. September haben die ersten elf Absolvent*innen ihre Ausbildung für den Abschiebehaftvollzugsdienst absolviert und am 1. Oktober in Glückstadt ihren Dienst angetreten.
Die Kampagne »Kein Abschiebegefängnis in Glückstadt und anderswo« mit Beteiligung von Gruppen wie Seebrücke und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, bekräftigte, dass Flucht kein Verbrechen ist. »Wir wollen, dass die Betroffenen mitbekommen, dass sie nicht vergessen und mit ihrem Schicksal alleine gelassen werden«, sagte Pelle von der Kampagneninitiative. Allein für Hamburg sprechen Aktivist*innen davon, dass seit 1993 im Zusammenhang mit Abschiebungen zehn Menschen ihr Leben verloren haben. Drei zentrale wie kurze Forderungen will die Kampagne erreichen: Freilassung der Inhaftierten, Schließung von Abschiebeknästen und ein Bleiberecht für alle Geflüchteten. Die Aktivist*innen kündigten an, ihre Proteste vor Ort fortzusetzen.
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