Verurteilt, weil er Migranten half

Domenico Lucano leistete Geflüchteten Amtshilfe und wird kriminalisiert

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.

Im Jahr 2010 ist Domenico Lucano (für die Freunde Mimì oder Mimmo) von einer internationalen Jury zu einem der besten Bürgermeister der Welt gewählt worden - elf Jahre später wurde er nun zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die Begründung ist letztlich beides Mal die Gleiche: In seinem kleinen Heimatort Riace im süditalienischen Kalabrien hat er ein System der »Willkommenskultur« für Flüchtlinge aufgebaut, das für die Migranten und die Einwohner gleichermaßen Vorteile brachte.

Die Menschen, die aus aller Herren Länder über das Mittelmeer gekommen waren, wurden aufgenommen und liebevoll betreut und Riace wurde von einem gottverlassenen Ort am Ende Europas, in dem nur noch alte Leute lebten, zu einem international bekannten Dorf. Administratoren aus ganz Europas reisten dorthin, um sich abzugucken, wie man das »Problem Flüchtlinge« in eine Chance für alle verwandeln kann.

Lucano (Jahrgang 1958) war Chemielaborant und dann Lehrer, studierte und lehrte in ganz Italien, bis er Ende des letzten Jahrhunderts nach Riace zurückkehrte. Dort erlebte er, wie vor Riace ein Schiff mit kurdischen Flüchtlingen landete. Mit Freunden und Gesinnungsgenossen gründete er einen Verein, um Häuser, die schon lange leer standen, für die Neuankömmlinge zu öffnen. Im Jahre 2004 wurde er zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt, ein Amt, das er bis 2018 ausübte. In dieser Zeit wurden er und sein Modell weltberühmt und und die US-amerikanische Zeitschrift »Fortune« sah in ihm sogar eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt.

2017, kurz bevor der ultrarechte Matteo Salvini Innenminister wurde, begann die Justiz, sich mit ihm zu befassen. Lucano wurde verhaftet, wieder auf freien Fuß gesetzt und jetzt in erster Instanz wegen Amtsmissbrauch zu langer Haft und einer hohen Geldbuße verurteilt. Ihm bleibt jetzt nichts anderes übrig, als auf ein gerechteres Urteil in der zweiten Instanz zu hoffen.

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