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Studentische Landlust

Die kleine Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde steht nicht zuletzt bei klimapolitisch engagierten Studierenden hoch im Kurs

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 5 Min.

Cato Bohlens ist vor Kurzem aus Niedersachsen nach Eberswalde (Barnim) gezogen. Der 22-Jährige wirkt geradezu euphorisch. »Es ist total toll«, sagt Bohlens. Oder: »Jeder der alternativer eingestellt ist, kann hier glücklich werden.« Oder: »In einer Minute bin ich im Wald und kann mich fallen lassen. Es ist so, wie ich mir das vorgestellt habe.« Bohlens arbeitet wohlgemerkt nicht für das Stadtmarketing von Eberswalde. Er studiert hier an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNEE) - und er ist mit seiner Begeisterung für die knapp 42.000 Einwohner zählende Stadt gut 40 Kilometer nördlich von Berlin und ihre Fachhochschule nicht allein. »Den Masterstudiengang Nachhaltiges Tourismusmanagement gibt es nur in Eberswalde und Heilbronn, aber ich wollte unbedingt hierher«, sagt Bohlens.

»Es ist super grün, super idyllisch, das hat etwas ganz Malerisches«, schwärmt auch Lena Platz von den drei über die Stadt verteilten Hochschulstandorten. »Das sind halt nicht so Monster wie zum Beispiel das Gebäude der Technischen Universität in Berlin.« Die 23-Jährige studiert an der HNEE im fünften Semester Nachhaltige Ökonomie und Management. Anders als Bohlens wohnt sie in Berlin und pendelt mehrmals die Woche zwischen der Hauptstadt und Eberswalde.

Keine Lust auf ein normales Studium

Lena Platz sagt, sie habe sich ganz bewusst für ein Studium an der HNEE entschieden. »Ich hatte ein Eins-Achter-Abi und hätte auch an die Humboldt- oder die Freie Universität in Berlin gehen können.« Aber zum einen hatte Platz keine Lust auf »ein normales BWL-Studium«, sondern fand es »cooler, angewandte Wissenschaften zu machen«, zumal mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit. »Außerdem fand ich bei den großen Berliner Unis allein die Vorstellung unattraktiv, mich mit 500 anderen Studierenden in einen Hörsaal quetschen zu müssen.« In Eberswalde kämen selbst in »großen« Vorlesungen nur selten über 50 Studierende zusammen.

Insgesamt sind an der HNEE nur rund 2300 Studierende in 20, deutschlandweit zum Teil einmaligen Studiengängen immatrikuliert, von der Forstwirtschaft über den Acker- und Pflanzenbau im Ökologischen Landbau bis eben zu den Studiengängen im Fachbereich Nachhaltige Wirtschaft, die Cato Bohlens und Lena Platz besuchen. Die HNEE ist letztlich die kleinste der vier staatlichen Brandenburger Fachhochschulen. Ein Mauerblümchendasein fristet die Hochschule deshalb offenkundig nicht. Im Gegenteil, man werde als »Vorreiterin im Bereich nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeitstransfer wahrgenommen«, sagt Matthias Barth, seit Anfang September neuer Präsident der HNEE, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in der Potsdamer Staatskanzlei.

Eingeladen hatte Brandenburgs Wissenschaftsstaatssekretär Tobias Dünow (SPD), der hiermit eine, wie dieser betont, 30-jährige »Erfolgsgeschichte« begehen will. Denn am 22. Oktober 1991 setzte der damalige Wissenschaftsminister Hinrich Enderlein (FDP) seine Unterschrift unter die »Verordnung über die Errichtung der Fachhochschulen« in Brandenburg. In der Folge wurden dann die Technischen Hochschulen in Wildau und Brandenburg/Havel, die Fachhochschule Potsdam und eben die HNEE gegründet. Hinzu kam die Fachhochschule Lausitz, die inzwischen ein Teil der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg ist.

Zu feiern gab es also eine schnöde Amtshandlung. Um große Worte ist man deshalb nicht verlegen. »Nirgendwo in Deutschland wirken Fachhochschulen so stark in die Region wie in Brandenburg«, sagt Staatssekretär Dünow. Eva Schmitt-Rodermund, Präsidentin der Fachhochschule Potsdam, lobt die »beispielhafte Zusammenarbeit« der vier Hochschulen. Ihre Kollegin Ulrike Tippe von der Technischen Hochschule Wildau findet: »Wir Fachhochschulen haben in den letzten 30 Jahren bewiesen, dass wir mit unseren Angeboten die Entwicklung der regionalen Wirtschaft und Verwaltung in Brandenburg maßgeblich befördert haben.«

Tobias Dünow bedauert zugleich, dass die Fachhochschulen generell etwas im Schatten der Universitäten stehen, nicht nur in der Mark. »Das finde ich ungerecht und etwas blöd«, sagt Dünow. Er spricht mit Blick auf die Fachhochschulen des Landes von einem »sträflich unterschätzten Teil der Wissenschaftslandschaft«. Dass dem so ist, zeigt nicht nur das begrenzte Medieninteresse an dem Jubiläumstermin am Donnerstag. Dazu passt in gewisser Weise auch, dass eigentlich nicht Dünow, sondern Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) für die Pressekonferenz angekündigt war. Schüle habe einen anderen wichtigen Termin in Berlin, sagt ihr Staatssekretär.

Zum Klimastreik nach Berlin

Was die Nachhaltigkeits-Hochschule in Eberswalde betrifft, so war der Termin im Presseraum der Staatskanzlei ohnehin allenfalls symbolischer Natur. Zum einen begann der Studienbetrieb an der HNEE - mit anfangs nicht einmal 50 Studierenden der Forstwissenschaft - erst fast ein halbes Jahr später, am 1. April 1992. Zum anderen handelte es sich bei der Einrichtung genau genommen nur um eine Neubelebung. Mehr als 130 Jahre hatte man in Eberswalde bereits Forst- und Holzforschung betrieben und gelehrt, bevor die SED-Führung 1962 die Auflösung der zuletzt als Forstwirtschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität Berlin etablierten Einrichtung anordnete. Protokollen zufolge auch aufgrund »ungenügender politischer Erziehung«.

Gut, das ist jetzt ein paar Semester her. Politisch ist man an der Fachhochschule Eberswalde gleichwohl. So hebt Managementstudentin Lena Platz eben nicht nur das Idyllische des Campus und die »super Studienbedingungen«, sondern auch die Verankerung von Gruppen wie Fridays for Future in der Stadt hervor. Auch ihr Kommilitone Cato Bohlens sagt: »Es gibt hier in Eberswalde so viele Möglichkeiten, sich für Klimaschutz und Nachhaltigkeit politisch zu engagieren, dass du gar nicht weißt, wo du anfangen sollst.« Das Gespräch mit »nd« muss Bohlens dann auch auf Donnerstagabend vorziehen, weil er am Freitag nun wirklich keine Zeit hat: Da gehe es nach Berlin, zum globalen Klimastreik.

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