Sind Ehepartner immer automatisch vertretungsbefugt?

Die fünf häufigsten Irrtümer bei der Vorsorgevollmacht

  • Lesedauer: 6 Min.

Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen. Daher ist es ratsam, vorsorglich zu handeln und einer Person (oder mehreren Personen) des Vertrauens in gesunden Tagen eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Diese Person regelt in Ihrem Sinne Angelegenheiten für Sie. Es kann aber auch einem Bevollmächtigten erlaubt werden, für sie zu handeln.

1. Irrtum: Ehepartner sind nicht immer automatisch vertretungsbefugt

Was leistet die compass-Pflegeberatung?

Weitere Informationen rund um die Vorsorgevollmacht und die Versorgungsplanung erhalten Sie auf dem Portal www.pflegeberatung.de. Dort finden Sie außerdem Informationsmaterialien, die Sie bestellen oder downloaden können. Für Fragen rund um die Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase können Sie sich auch an die private compass-Pflegeberatung wenden. compass ist als unabhängige Tochter des PKV-Verbandes mit rund 500 Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern bundesweit tätig.

Die compass private pflegeberatung GmbH berät Pflegebedürftige und deren Angehörige telefonisch, auf Wunsch auch zu Hause gemäß dem gesetzlichen Anspruch aller Versicherten auf kostenfreie und neutrale Pflegeberatung (§ 7a SGB XI). Die telefonische Beratung steht allen Versicherten offen, die aufsuchende Beratung ist Privatversicherten vorbehalten. nd

Das ist nicht richtig! Ehepartner sind keine gesetzlichen Vertreter und auch sie benötigen eine rechtsgültige Bevollmächtigung per Vollmacht. Eine automatische Vertretungsberechtigung besitzen Eltern gegenüber ihren minderjährigen, nicht geschäftsfähigen Kindern oder Vormünder im Verhältnis zu ihren Mündeln oder eben Betreuer im Verhältnis zu ihren Betreuten.

Wenn der Ehepartner in einer Notfallsituation Sie vertreten soll, benötigt er eine Vollmacht. Um eine Vorsorgevollmacht erteilen zu können, bedarf es der grundsätzlichen Geschäftsfähigkeit. Den Umfang der Vollmacht können Sie dabei frei bestimmen. Damit die bevollmächtigte Person alle denkbaren Angelegenheiten erledigen kann, empfiehlt sich, eine möglichst umfassende Bevollmächtigung zu erteilen. Üblicherweise wird die Befugnis erteilt, »in allen vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten für den Vollmachtgeber tätig zu werden«.

Ist eine rechtsgültige Vorsorgevollmacht vorhanden, lässt sie sich auch gut mit einer sogenannten Betreuungsverfügung verbinden. Die Einsetzung eines Betreuers im Notfall durch ein Betreuungsgericht könnte somit entbehrlich werden und ein möglicherweise notwendiges richterliches Verfahren mit ärztlicher und psychiatrischer Begutachtung könnte entfallen.

Wichtige Angelegenheiten des Vollmachtgebers können durch eingesetzte Bevollmächtigte erledigt werden. Der Umfang bemisst sich daran, ob eine Vollmacht für Einzelfälle, eine Generalvollmacht oder eine notariell beglaubigte Vollmacht erteilt wurde.

2. Irrtum: Vorsorgevollmacht deckt meine Gesundheitsvorsorge ab

Das ist falsch! Eine Vorsorgevollmacht kann die medizinisch und pflegerisch erforderlichen Maßnahmen zwar regeln, aber wenn Sie sichergehen wollen, dass Ihr Wille berücksichtigt wird, ist eine Patientenverfügung notwendig. Darin kann detailliert festgelegt werden, welche Maßnahmen nach Unfällen oder Erkrankungen getroffen werden sollen, sollten Sie zum etwaigen Zeitpunkt keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen können.

Nur eine korrekte und gültige Patientenverfügung sichert Ihnen im Notfall Ihr gewünschtes Recht auf Selbstbestimmung zu. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie eine Vertrauensperson Ihrer Wahl bestimmen, Sie in persönlichen Angelegenheiten zu unterstützen, sollten Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt dazu nicht mehr selbstständig in der Lage sein. Das kann Ihre Finanzen, gerichtliche Angelegenheiten oder auch Fragen zu Ihrem Wohnraum betreffen.

Verfügen Sie über eine Patientenverfügung und haben Sie eine Vorsorgevollmacht, dann hat der Bevollmächtigte der Vorsorgevollmacht dafür Sorge zu tragen, dass die Patientenverfügung durchgesetzt wird. So ist laut § 1901a Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 BGB zu prüfen, ob die Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation anzuwenden ist, was bei Bejahung eine Durchsetzung des Patientenwillens nach sich ziehen würde.

Ist keine Patientenverfügung vorhanden oder trifft diese nicht zu, ist der Wille des Patienten festzustellen. Seine Wünsche sind durch konkrete Annahmen zu ermitteln, wobei frühere Willensäußerungen und Wertvorstellungen zu berücksichtigen seien. Sollten Sie mit Hilfe der Vorsorgevollmacht, an Stelle einer Patientenverfügung, auch gesundheitliche Fragen für sich regeln wollen, sollten diese aus Gründen der Klarheit und der Beweiskraft schriftlich verfasst werden.

3. Irrtum: Die Vorsorgevollmacht ist nur mit notarieller Beglaubigung wirksam und rechtsgültig

Das ist nicht zwingend notwendig! Eine volljährige, geschäftsfähige Person kann eine Vollmacht grundsätzlich formfrei verfassen. Im Gegensatz zur Patientenverfügung ist diese auch mündlich bindend. Es ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit zu empfehlen, die von Ihnen bevollmächtigte Vertrauensperson privat(hand-) schriftlich festzuhalten.

Die Vollmacht erhält erst Rechtsgültigkeit mit Ihrer Unterschrift. Für das rechtssichere Verfassen können Sie Druckvorlagen vom Bundesjustizministerium oder zertifizierte Online-Anbieter nutzen.

Die notarielle Beglaubigung durch Beurkundung der von Ihnen verfassten Vollmacht ist dann erforderlich, wenn der Bevollmächtigte Sie beispielsweise in Immobiliengeschäften vertreten soll. Dafür reicht dem Bevollmächtigten keine Kopie, um Sie vertreten zu können. Diese von Ihnen erstellte Vorsorgevollmacht kann jederzeit ohne Angaben von Gründen widerrufen werden, sollten sich Ihre Wünsche oder das Vertrauensverhältnis zum Bevollmächtigten ändern. In diesem Zuge sollte die Heraus- oder Rückgabe der Vollmacht verlangt werden.

4. Irrtum: Eine Vorsorgevollmacht wird erst im Vorsorgefall wirksam

Nein! Eine Vorsorgevollmacht entfaltet für den Bevollmächtigten in der Regel mit Erhalt des Originals ihre Wirksamkeit, es sei denn, sie haben explizit andere Vereinbarungen getroffen: Sie lassen sich also erst ab dem Zeitpunkt vertreten, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, eigenständig über Ihre Angelegenheiten zu entscheiden.

Daher spielt hohes Vertrauen in die von Ihnen bevollmächtigte Person eine wichtige Rolle bei der Ausstellung einer Vollmacht. Missbrauchsrisiken können durch ergänzende Klauseln minimiert werden. So können Sie die Vorlage eines ärztlichen Attests über ihren Gesundheitszustand zur Bedingung für die Verwendung der Vorsorgevollmacht machen.

Eine vom Bevollmächtigten zu erfüllende Zusatzklausel kann im Notfall wiederum zu unerwünschten, zeitlichen Verzögerungen führen. Sie sollten daher beim Verfassen eine sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile in Betracht ziehen. Ihre Gültigkeit verliert die Vorsorgevollmacht grundsätzlich erst, wenn sie widerrufen wird, was Ihnen jederzeit möglich ist.

Eine Vorsorgevollmacht kann auch über den Tod hinaus Gültigkeit besitzen und den Bevollmächtigten auch nach dem Ableben des Vollmachtgebenden zur Regelung seiner Angelegenheiten verpflichten. Dabei müssen aber in der Regel auch die Interessen der Erben berücksichtigt werden, weil ihnen eine Widerrufsmöglichkeit zufällt.

5. Irrtum: Vorsorgevollmacht deckt alle Bank- und Geldgeschäfte ab

Das stimmt nur theoretisch! Banken können sich jedoch weigern, eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht anzuerkennen und pochen in der Regel auf eine separate Bankvollmacht des jeweiligen Kreditinstituts. Das geschieht, weil Banken in der Praxis die Rechtsgültigkeit einer privatschriftlichen Vorsorgevollmacht oder die fehlende Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers nicht überprüfen können.

Um Streitfälle von vorn herein auszuschließen, sollten Sie sich bei Ihrer Bank über die individuellen Möglichkeiten einer Bankvollmacht informieren. Durch eine Vorsorgevollmacht werden darüber hinaus auch Schenkungen im gesetzlichen Rahmen möglich. Sogenannte »Insichgeschäfte« , also Geschäfte des Bevollmächtigten mit sich selbst, sind zur Vermeidung von Interessenskonflikten und des Missbrauchs zwar grundsätzlich verboten, es sei denn, der Vollmachtgeber erlaubt sie ausdrücklich.

So wie Sie Handlungen explizit erlauben können, lassen sich Schenkungen auch ausdrücklich verbieten oder auf bestimmte Vermögenswerte beschränken. Nur eine Generalvollmacht gestattet dem Bevollmächtigten uneingeschränkte Möglichkeiten und Rechte im Umgang mit Ihren Vermögenswerten. Es kann zur Vermeidung von unerwünschten Folgen immer empfohlen werden, bei der Erstellung einer Vorsorgevollmacht auch die Hilfe einer Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.compass-Pflegeberatung/nd

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