Ein Potpourri an neuen Klimazielen und Initiativen

In der ersten Woche der Konferenz in Glasgow gab es überraschend viele Ankündigungen. Ob sie umgesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt

  • Christian Mihatsch, Glasgow
  • Lesedauer: 3 Min.

Klimakonferenzen waren schon immer groß, aber COP 26 in Glasgow übertrifft alles: Knapp 40 000 Menschen haben sich für die Konferenz in Schottland registriert, 10 000 mehr als für Paris, wo 2015 das Weltklimaabkommen ausgehandelt wurde. In den ersten Tagen waren Großbritannien und die Vereinten Nationen als Gastgeber denn auch mit der Logistik überfordert. Vor dem Eingang bildeten sich lange Schlangen. Seit der Abreise der Staatschefs am Mittwoch verbesserte sich die Lage jedoch Tag für Tag.

Das Warten scheint sich gelohnt zu haben, denn es gibt zahlreiche neue Klimaziele und -initiativen. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat in einer Blitzanalyse ausgerechnet: Wenn diese Ankündigungen eins zu eins umgesetzt werden, dann wird sich das Klima um 1,8 Grad Celsius erwärmen. Vor Glasgow lag dieser Wert noch bei 2,2 Grad. Damit rückt das Ziel des Paris-Abkommens näher, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die IEA-Analyse ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: In so kurzer Zeit ist es unmöglich, die tatsächliche Wirkung der oft vagen Ankündigungen genau zu analysieren.

Bei den offiziellen Klimazielen der Länder kamen in Glasgow viele neue Netto-Null-Ziele hinzu. So gehören nun Indien, Nigeria, Brasilien und Vietnam zum Kreis der Staaten mit einer solchen Selbstverpflichtung. Zudem haben diverse Ländergruppen neue Initiativen lanciert: So wollen die Mitglieder des »Methan-Versprechens« ihre Emissionen dieses besonders klimaschädlichen Treibhausgases bis 2030 um 30 Prozent reduzieren. Ebenfalls bis 2030 soll die Entwaldung gestoppt werden. Viele Länder haben sich zum Ausstieg aus der Kohle bekannt, darunter Polen, Vietnam, Indonesien und die Ukraine. Dass die Kohleverstromung keine Zukunft mehr hat, war allerdings vor der UN-Konferenz schon klar.

Neuerdings gilt das aber auch für Öl und Gas. 20 Länder und die Europäische Investitionsbank haben versprochen, keine Öl- und Gasprojekte im Ausland mehr zu fördern, darunter die USA, Kanada, Großbritannien und die Schweiz - nicht aber Deutschland. Pünktlich zur Konferenz kam dann auch die Nachricht, dass dieser Trend in der Realwirtschaft allmählich ankommt: Der US-Energiekonzern Exxon, einst verschrien als Förderer von Klimawandelleugnern, schrieb zum ersten Mal in einem Jahresbericht, dass für manche Investitionen in Öl und Gas »das Risiko einer Wertminderung« bestehe. Damit gesteht der Konzern ein, dass Teile der Öl- und Gasreserven wohl unverkäuflich sein werden.

Auch bei den Klimahilfen gibt es Fortschritte: Die Industriestaaten robben sich langsam an die Erfüllung ihres 100-Milliarden-Dollar-Versprechens heran. Dank neuer Zusagen von Japan, Italien und Spanien könnte ab kommendem Jahr diese Summe jährlich für Entwicklungsländer bereitstehen. Das ist zwei Jahre später als versprochen, aber schneller, als zu Konferenzbeginn gedacht. Zudem haben Finanzmarktakteure, die zusammen 130 Billionen Dollar verwalten, zugesagt, ihre Anlageportfolios bis zum Jahr 2050 auf netto-null zu bringen. Das bedeutet, dass die Firmen, in die sie investieren, nicht mehr emittieren, als sie durch Reduktionsmaßnahmen wettmachen. »Das Geld ist jetzt da, wenn die Welt die Klimakrise wirklich aufhalten will«, meint Mark Carney, der frühere Chef der britischen Nationalbank und Mitinitiator dieser Initiative.

Wie bei allen Vorhaben zählt letztlich aber nicht das Versprechen, sondern die Umsetzung. Aus diesem Grund hat UN-Generalsekretär António Guterres angekündigt, ein Expertengremium einzuberufen, das die Umsetzung der vielen Netto-Null-Ziele von Unternehmen überprüfen soll.

In der ersten Woche in Glasgow feilten Klimadiplomaten zudem am noch fehlenden Kapitel der sogenannten Bedienungsanleitung des Paris-Abkommens. Durchbrüche wurden hier nicht erzielt. Teilnehmer sprachen aber von konstruktiven Verhandlungen und überraschend schnellen Fortschritten. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zentralen, politischen Fragen in Glasgow noch nicht gelöst sind. Bis Freitag kommender Woche ist dafür noch Zeit.

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