Rückkehr der Pumas

Die Raubkatzen streifen schon seit Jahren wieder durch Waldreste am Zuckerhut

  • Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Puma ist nach dem Jaguar die zweitgrößte Raubkatzenart Nord- und Südamerikas. In Brasilien steht er auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Im Stadtgebiet Rio de Janeiros galt die mächtige Raubkatze seit den 1930er Jahren als ausgestorben. Doch Forscher haben diese Annahme nun widerlegt. Unbemerkt von Behörden und Öffentlichkeit leben offensichtlich schon seit Jahren wieder Pumas am Zuckerhut.

Die auch Berglöwe genannte hellbraun bis dunkelrotbraun gefärbte Raubkatze kann eine Größe von bis zu 2,3 Metern und ein Körpergewicht von über 70 kg erreichen. Trotz ihrer Größe zählen Biologen sie zu den Kleinkatzen. Vor fast genau einem Jahr filmte durch Zufall eine Überwachungskamera eine dieser Raubkatzen, die in dem vom Gartenarchitekten Roberto Burle Marx im Westen von Rio de Janeiro geschaffenen Landschaftspark herumschlich. Dies sorgte bei Raubtierspezialisten der Universität von Rio de Janeiro (UERJ) für Aufregung. Schon seit Jahren waren sie den in der Region vermeintlich ausgestorbenen Pumas auf der Spur.

War das im Park gefilmte Tier nur ein seltener Zufall und nur auf der Durchreise? Die Biologen setzten sich auf die Fährte des Pumas. Sie durchstreiften die Naturreservate und Waldreste im Stadtgebiet und errichteten mehrere Fotofallen. Und ihre Mühe zahlte sich aus. »Unsere Daten bestätigen, dass Puma concolor in Rio de Janeiro nicht ausgerottet ist und die Stadt neu besiedelt«, berichtet das Forscherteam in ihrer kürzlich im Wissenschaftsjournal »Check List« veröffentlichten Studie (DOI: 10.15560/17.5.1353).

»Wir konnten zeigen, dass die im Burle-Marx-Park gefilmte Raubkatze kein Einzelfall war«, so der Biologe Jorge Antônio Lourenço Pontes, einer der Autoren der Studie. Unverwechselbare Fußabdrücke und Kratzspuren der Tiere an Bäumen bewiesen deren Anwesenheit zumindest an drei Orten im Großraum Rio: in den beiden teilweise unter Naturschutz stehenden bewaldeten städtischen Bergmassiven Gericinó-Mendanha und Pedra Branca sowie in der Nähe des Burle-Marx-Landschaftsparks im Biologischen Reservat Guaratiba an der Küste, wo es noch große intakte Mangrovenflächen gibt. Dort hatte Pontes bereits 2007 eine Pumafährte registriert.

Die Forscher entdeckten bei ihren jüngsten Untersuchungen in den Schutzgebieten und Naturflächen Rios zudem eine weitere große Säugetierart, die hier als ausgestorben galt und ebenfalls für die Rückkehr der großen Raubkatzen spricht: Halsbandpekaris. Diese bis zu 30 Kilogramm schwere Nabelschweinart ist eine Lieblingsbeute der Pumas.

Wie viele Berglöwen durch Rio streifen, können die Forscher indes noch nicht sagen. Jede Zahlenangabe, so Pontes, wäre nur ein Schuss ins Blaue. »Der Puma ist ein sehr scheues Tier, selbst seinen Fußabdruck zu finden ist schwierig.« Nur wenn der Boden weich und schlammig ist, bleiben Abdrücke für einige Zeit zurück. Die Pumafährten fanden die Forscher deshalb meist bei Ebbe in Mangrovengebieten oder nach Regenfällen im Wald.

Die Biologen der Universität von Rio garantieren, dass von den Raukatzen aber keine Gefahr für den Menschen ausgeht. »Der Puma ist sehr scheu: Seine natürliche Tendenz ist, wegzulaufen, wenn er jemanden sieht.«

Das Vorkommen von Lateinamerikas zweitgrößter Raubkatzenart in der Stadt am Zuckerhut unterstreiche die Bedeutung des Erhalts der Reste des Atlantischen Regenwaldes in der Metropole und die Notwendigkeit, Korridore zwischen den größeren Waldfragmenten aufrechtzuerhalten und zu erweitern, heben die Forscher hervor. Gerade der Schutz kleinerer noch intakter Naturflächen wie des Walds von Camboatá im Stadtgebiet seien wichtig, diese könnten den Pumas als Zwischenstationen dienen.

Just dieser etwa 160 Hektar große Camboatá-Wald im Stadtteil Deodoro hätte in diesem Jahr bereits abgeholzt sein sollen, um Platz für eine Formel-1-Rennstrecke zu schaffen. Doch Korruptionsvorwürfe gegen den damaligen Bürgermeister Marcelo Crivella und dessen verlorene Wiederwahl retteten diese Regenwaldinsel inmitten von Rio - vorerst. Anfang dieses Jahres sprach sich das neue Stadtoberhaupt von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, klar gegen eine Rennstrecke in Deodoro aus und befürwortete die Idee, den Camboatá-Wald unter Naturschutz zu stellen. Dies allerdings bedeutet noch nicht, dass Überleben und Expansion von Rio de Janeiros Pumas mit ihm gesichert sind. Der Bürgermeister, der bereits die wirtschaftlich und sozial katastrophalen Olympischen Spiele 2016 in die Millionenmetropole gebracht sowie Stadtautobahnen ausgebaut und dafür Naturflächen abgeholzt und zerstückelt hatte, hält eine neue Rennstrecke im Stadtgebiet durchaus für möglich, nur nicht in Deodoro. Paes bevorzugt für »seinen« Formel-1-Ring den Stadtteil Guaratiba. Doch auch dort befindet sich einer der drei identifizierten Lebensräume der Pumas in Rio.

Die Hauptgefahr für die Pumas geht jedoch von Rios Milizen aus. Sie nutzen seit Jahren die durch explodierende Immobilienpreise ausgelöste Wohnungsnot in der Metropole aus und stampfen unter den Augen von Polizei und Umweltbehörden ganze Wohnblocks illegal aus dem Boden. Betroffen sind vor allem die restlichen geschützten Regenwaldgebiete der Stadt. Nach Angaben des städtischen Umweltsekretariats holzten die Milizen zwischen 2017 und 2020 für illegalen Wohnungsbau nahezu 500 Hektar Wald in Rio ab. Fast die Hälfte davon allein in den drei westlichen Stadtteilen Campo Grande, Santa Cruz und Guaratiba.

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