Vakzine bleiben begrenzt verfügbar

Gesundheitsminister bleibt bei Rationierung von Biontech-Dosen, um Moderna vor Verfall zu verbrauchen

Nach heftiger Kritik hat der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Irritationen um die von ihm angekündigte Begrenzung der Auslieferung des Biontech-Impfstoffs bedauert. Bei »allem verständlichen Ärger« sei aber die wichtigste Botschaft, dass genügend Vakzine zur Verfügung stünden, betonte er am Montag in Berlin. Allerdings habe er bereits am Freitag vor der Presse gesagt, »dass wir Moderna stärker werden einsetzen müssen«, weil das Auffrischen »allein mit Biontech« nicht zu bewältigen sei. Er hätte dies aber »ausführlicher darstellen müssen, um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen«, räumte Spahn ein.

Er teilte mit, dass am Montag und Dienstag noch einmal sechs Millionen Biontech-Dosen ausgeliefert werden, ab kommender Woche dann wöchentlich zunächst noch zwei bis drei Millionen. Das sei noch immer ziemlich viel, damit könnten aber nicht alle Bestellungen voll bedient werden. Am Freitag hatte das Gesundheitsministerium in einem Schreiben an die Länder angekündigt, die Höchstabgabemenge von Biontech-Impfstoff solle auf 30 Dosen pro Arztpraxis und Woche beschränkt werden soll. Auch für Impfzentren wird es eine Deckelung geben.

Das hatte für heftige Kritik gesorgt. Hintergrund ist die Befürchtung, dass der Impfstoff von Moderna eine geringere Akzeptanz in der Bevölkerung haben könnte. Spahn wurde vielfach aufgefordert, seine Entscheidung zurückzunehmen. Er unterstrich aber am Montag, Moderna sei ein »guter, sicherer und sehr wirksamer Impfstoff«. Und fügte hinzu: »Manche impfende Ärzte sagen: Biontech ist der Mercedes unter den Impfstoffen und Moderna ist der Rolls Royce.«

Das Gesundheitsministerium hatte auf den drohenden Verfall der bereits gelieferten Moderna-Dosen im ersten Quartal 2022 hingewiesen. Dies sei »zwar ein wichtiger Aspekt« der Rationierungsentscheidung, »aber nicht der entscheidende«, erklärte Spahn nun. Entscheidend sei vielmehr, dass die Biontech-Lagerbestände zur Neige gingen. Bis zum Jahresende stünden rund 24 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer zur Verfügung. Bei Moderna seien es 26 Millionen.

Spahn sagte am Montag, es sei ihm »sehr bewusst«, dass die kurzfristige Deckelung der Lieferungen »für viele engagierte Helferinnen und Helfer vor Ort, in den Arztpraxen und den Impfzentren, viel zusätzlichen Aufwand und auch Stress« verursache. »Geplante Prozesse und Abläufe müssen umgestellt werden und sie müssen Überzeugungsarbeit leisten. Das weiß ich und das bedaure ich auch.«

CSU-Chef Markus Söder (CSU) warf Spahn eine »desaströse Kommunikation« vor. Es sei gut und wichtig, Impfstoff auch an andere Teile der Welt zu geben. Jedoch sei es in der gegenwärtigen Situation auch sinnvoll, Impfstoff im Inland bereitzuhalten, sagte Söder am Montag CSU-Vorstands in München. Auch er, so der bayerische Ministerpräsident, halte die Impfstoffe von Moderna und Biontech für gleich gut. Jedoch sei die Wahl des Wortes »Rationierung« nicht zielführend gewesen. Söder teilte mit, der CSU-Vorstand habe sich hinter seinen Vorschlag einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus gestellt. Die ursprünglich auch von ihm vorgeschlagene Impfpflicht nur für bestimmte Berufsgruppen schaffe Ungerechtigkeit, sagte der CSU-Chef.

Der Hausärzteverband teilte mit, aufgrund der Ankündigungen von Spahn wollten viele Praxen sich nun nicht mehr an der Impfkampagne beteiligen. Hausärzteverband und Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz forderten Spahn am Montag auf, die Einführung der Höchstbestellmengen des Biontech-Vakzins zurückzunehmen. Die kurzfristige Ankündigung seines Ministeriums und die zu befürchtende mangelnde Akzeptanz sowohl bei den Impfwilligen als auch bei den Medizinern gefährdeten »unnötig den Erfolg der Impfkampagne«, heißt es in einer am Montag in Mainz veröffentlichten Resolution der Berufsstandsvertretung der Apotheker. Die »überaus notwendige Steigerung der Corona-Impfrate« sei durch Spahns Manöver gefährdet.

Die Vorsitzende des Hausärzteverbands des Landes, Barbara Römer, sagte am Montag, in den Praxen in Rheinland-Pfalz wie auch bundesweit werde seit dem Impfstart im April »zu 99,8 Prozent Biontech« verimpft. Dies müsse Spahn doch bekannt sein. Römer prognostizierte: »Wir werden in den Arztpraxen ab nächster Woche eine Vollbremsung hinlegen, da wir durch die Umstellung von Biontech auf Moderna wieder sehr viel Zeit für Aufklärungsgespräche benötigen, die wir in der jetzigen Phase der Pandemie aber schlichtweg nicht haben.« Das Unternehmen Biontech prüft unterdessen, ob es mehr Impfstoff liefern kann als bisher vereinbart.

Derweil geht der Immunologe Leif Erik Sander davon aus, dass die Booster-Impfung eine lang anhaltende Wirkung haben wird. Die dritte Dosis stärke das Immungedächtnis noch einmal, sagte der Berliner Vakzin-Forscher am Montag auf der Pressekonferenz mit dem Gesundheitsminister in Berlin. Dadurch werde eine Immunantwort erreicht, »die lange andauern wird«. Sander räumte jedoch ein, dass sich die Dauer der Booster-Wirkung noch nicht abschließend einschätzen lasse. »Wir wissen ja auch nicht, welche Tricks das Virus noch drauf hat«, sagte er mit Blick auf mögliche Mutationen. »Aber ich denke, dass wir mit der dritten Impfung die Immunisierung erst mal abgeschlossen haben werden.« Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Auffrischimpfung inzwischen für alle Menschen über 18 Jahre. mit Agenturen

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