Nur für Reiche: Vermögensfall infolge des Todes

Eine kräftige Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen brächte viel Geld in die Kassen

Eine höhere Erbschaftssteuer füllt die Staatskasse nicht nur mit Kleingeld
Eine höhere Erbschaftssteuer füllt die Staatskasse nicht nur mit Kleingeld

Die meisten Geschenke werden zwar zu Weihnachten und Geburtstagen gemacht. Die ganz großen Gaben aber fallen zwischen diesen Anlässen an: große Vermögen, Immobilien, Unternehmensteile. Und hier greift der Staat zu, er erhebt Schenkungssteuer. Wie auch die Erbschaftsteuer dient sie weniger der Umverteilung zwecks mehr Gerechtigkeit. Vielmehr sind beide Steuern so gestaltet, dass der Reichtum in der Familie bleiben und dort weiterwachsen kann, womit sich die soziale Ungleichheit verschärft. Das muss allerdings nicht so bleiben. »Als Reichensteuer hat die Erbschaft- und Schenkungssteuer besondere Vorzüge«, so Axel Troost, Finanzexperte bei der Linkspartei.

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»Der Vermögensanfall, der infolge Todes eintritt, unterliegt der Erbschaftsteuer«, klärt das Bundesfinanzministerium auf. Die Schenkungssteuer habe ein simples Ziel: »eine Umgehung der Erbschaftsteuer durch eine Schenkung zu Lebzeiten zu verhindern«.
Erbschaft- und Schenkungssteuer sind also eng verbunden und teilen einige archaisch anmutende Merkmale, vor allem, dass ihre Höhe nicht bloß vom Wert der Übertragungen abhängt, sondern vom Grad der Verwandtschaft zwischen Gebenden und Nehmenden. Hier unterscheidet das Gesetz äußerst strikt zwischen den Familienmitgliedern. So kann man seinem Ehepartner alle zehn Jahre bis zu 500.000 Euro schenken, ohne dass dieser dafür Steuern zahlen muss. Bei den Kindern sind es immerhin 400.000 Euro, ebenso wie bei den Enkeln – allerdings nur, wenn die Kinder des Schenkenden nicht mehr leben. Leben sie noch, liegt der Freibetrag nur bei 200.000 Euro. In die andere Richtung, also von Jung nach Alt, ist es teurer: Kinder dürfen den Eltern – und Enkel ihren Großeltern – nur bis zu 20.000 Euro steuerfrei schenken. Die gleiche Grenze gilt auch für alle Menschen auf der Welt, mit denen man nicht verwandt ist. Mit abnehmendem Verwandtschaftsgrad sinken nicht nur die Freibeträge, sondern steigen auch die Steuersätze.

Es gibt in Deutschland legale Wege, Schenkungs- und Erbschaftsteuer zu vermeiden, zum Beispiel die Kettenschenkung. Angesichts der hohen Freibeträge ist aber klar: Attraktiv ist das nur für Menschen, die sehr viel Vermögen und daher sehr viel zu verschenken haben. Und sie machen auch den größten Teil der Übertragungen aus. »Fast 50 Prozent des gesamten Erbschafts- und Schenkungsvolumens fließen an die zehn Prozent der EmpfängerInnen mit den höchsten Beträgen«, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Und das bedeutet: »Soziale Ungleichheit wird auf vielfältige Art und Weise von den Eltern auf ihre Kinder übertragen.« Erbschaft- und Schenkungssteuer modifizieren diesen Prozess nur, stoppen ihn aber nicht.

Das DIW hat einige Vorschläge, wie die Steuern für etwas mehr Ausgleich sorgen könnten. Würden zum Beispiel große und sehr große Erbschaften effektiver besteuert, ergäbe sich Spielraum, Freibeträge für nicht oder entfernt verwandte Personen anzuheben – zum Beispiel für nichteheliche Lebenspartner:innen, für Kinder der Partner:innen, die nicht die eigenen sind oder für Wahlverwandte aus der Bekanntschaft. »Dies würde nicht nur der neuen Vielfalt der Familienformen entsprechen, sondern auch zusätzlich die soziale Ungleichheit reduzieren.«

Auch dass man die Freibeträge alle zehn Jahre in Anspruch nehmen darf, dient nur sehr wohlhabenden Personen dazu, über einen längeren Zeitraum Vermögen weitgehend steuerfrei zu übertragen. »Würde die Zehnjahresfrist aufgehoben, könnten damit die Freibeträge pro ErblasserIn/SchenkerIn nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden und die Transfers würden effektiver besteuert«, so das DIW. Dies könnte auch der hohen Staatsverschuldung durch die Hilfsmaßnahmen in der Corona-Pandemie entgegenwirken.

Erbschaft- und Schenkungssteuer sind auch Alternativen zu einer vielfach geforderten Vermögensteuer. »Anders als die Vermögensteuer unterscheiden sie danach, ob ein Vermögen leistungslos oder durch eigenen Einsatz erworben wurde«, erklärt Troost. »Leistungslose Einkommen zu besteuern erscheint besonders gerecht.« Allerdings seien im Zuge der jüngsten Reform der Erbschaftsteuer immense Vermögen – vor allem Betriebe und Unternehmensteile – weitgehend steuerfrei an Kinder und Enkel verschenkt worden. »Diese Substanz ist über Jahrzehnte der Erbschaftsteuer entzogen«, so Troost, weswegen eine Vermögensteuer unverzichtbar sei.

Für eine kräftige Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften plädiert auch der französische Ökonom Thomas Piketty. Daraus will er eine Erbschaft für alle in Höhe von 120.000 Euro finanzieren, quasi als Startkapital fürs Leben. Vielleicht zu Weihnachten?

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