Flavus - das Goldgelbe

Biolumne: Iris Rapoport über ein Vitamin, das auch als Lebensmittelfarbe dient

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.
Biolumne: Flavus - das Goldgelbe

Sein leuchtendes Gelb hat Pate gestanden, als das Vitamin B2 auf den Namen Riboflavin getauft wurde. Entdeckt hatte es Otto Warburg in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, als er den Hauptweg der Energiespeicherung in unseren Zellen aufklärte: die Atmungskette. Doch es spielt nicht nur dabei eine Rolle. Es ist auch Bestandteil weiterer Enzyme, die Wasserstoff oder Elektronen übertragen - im Aminosäure- und Fettstoffwechsel ebenso wie bei den sogenannten Steroiden. Sogar zur Aktivierung eines anderen Vitamins, des Thiamins (B6) ist es vonnöten.

1,5 Milligramm des wasserlöslichen Vitamins brauchen wir täglich. Primär von Pflanzen und Pilzen gebildet, wird es in der Nahrungskette in tierischen Lebensmitteln angereichert. Deshalb sind vor allem Milch und Käse, aber auch Fisch, Fleisch oder Eier bei Weitem die besten Quellen. Damit wird verständlich, warum Lacto-Ovo-Vegetarier oft besser versorgt sind als der Durchschnitt, während bei strikten Veganern eine Tendenz zur Unterversorgung besteht. Ansonsten gilt ein Mangel hierzulande als selten. Auch Bakterien, einschließlich derer, die unseren Dickdarm bewohnen, bilden Riboflavin. Wie viel uns davon zugute kommt, ist jedoch nicht geklärt.

Das Vitamin ist hitzestabil, doch sehr lichtempfindlich. Das ist einer der Gründe, warum Milch in Flaschen durchaus Nachteile hat.

Sehr bald nach der Aufklärung der Struktur des Riboflavins begann man, das kompliziert gebaute Molekül industriell herzustellen. Seitdem steigt der weltweite Bedarf ständig. Dabei wird der kleinste Teil pharmazeutisch, etwa in Vitaminpräparaten genutzt. In vielen Ländern, wenn auch nicht in Deutschland, werden Cerealien und Mehl damit angereichert. Eine Überdosierung ist übrigens nicht zu befürchten. Es wird gemeinhin nur so viel aus dem Darm aufgenommen wie benötigt, Überschüssiges schnell mit dem Harn ausgeschieden. Denn gespeichert werden kann es kaum. Lediglich die Leber hält eine kleine Menge vor, gerade genug, um kurzzeitige Unterversorgung auszugleichen.

Ob seines intensiven Gelbs wird Riboflavin oft als Lebensmittelfarbstoff genutzt. Es verbirgt sich dann hinter dem Kürzel E101. Doch der größte Teil dient als Futtermittelzusatz, denn bei Mangel wachsen Tiere schlecht.

Über ein halbes Jahrhundert wurde das Vitamin auf chemischem Wege produziert. Die Ausbeute war gering, zudem waren giftige Zusätze nötig. Schon frühzeitig begann man deshalb, nach enzymatischen Wegen zu suchen oder anders gesagt, es biotechnologisch herzustellen. Die Züchtung geeigneter Bakterien und Pilze mit den klassischen Mutagenesemethoden war langwierig und mühsam. Doch die ökologischen Vorteile können sich sehen lassen. Kein Giftabfall mehr, drastisch reduzierter Material- und Energiebedarf und eine verringerte CO2-Emission. Doch der Blick auf den Stoffwechselweg, der zum Riboflavin führt, zeigt klar, dass da noch mehr möglich ist. Deshalb wird heute mit modernen Methoden wie Crispr daran gearbeitet, die Nachhaltigkeit des Prozesses weiter zu verbessern.

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