Heiraten hat nichts mit Romantik zu tun

Die Ehe wird heute vor allem verklärt, meint Sibel Schick. Sie ist alles andere als romantisch.

  • Sibel Schick
  • Lesedauer: 4 Min.

Vergangene Woche landete ein Video der Verlobung von Megan Fox und Machine Gun Kelly auf Millionen von Social-Media-Timelines. Das Video ist mehr schräg als romantisch: In einem Zusammenschnitt mehrerer Aufnahmen geht der Rapper roboterhaft auf die Knie; die Schauspielerin gestikuliert, überrascht zu sein. Niemand gibt einen Ton von sich; man hört nur Vögel zwitschern. Die Bewegungen der beiden sind kontrolliert und wirken nicht spontan. Das Video macht den Eindruck eines PR-Filmchens.

Nun sind nicht alle so privilegiert, dass sie auf eine Heirat verzichten können. Eine Heirat kann unter Umständen eine Beziehung überhaupt erst ermöglichen oder vereinfachen. Zum Beispiel bei Menschen aus zwei Ländern, zwischen denen kein Recht auf Freizügigkeit besteht. Zudem kann eine Ehe die Lebensqualität erhöhen durch das Aufenthalts-, Arbeits- und Steuerrecht oder eine Versicherung. Wenn etwas politisch belohnt wird, dann findet es auch statt.

Sibel Schick
Sibel Schick ist Autorin und Journalistin. Sie wurde 1985 in der Türkei geboren und zog 2009 nach Deutschland. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »In schlechter Gesellschaft«.

Historisch ist die Ehe vor allem eins: eine wirtschaftliche Vereinbarung. Die Liebesheirat gibt es erst seit etwa 150 Jahren. Im Zuge der Industrialisierung verlor die Ehe als wirtschaftliches Arrangement ihre gesellschaftliche Relevanz. Um die Institution weiter attraktiv und lebendig zu halten, fingen Menschen an, von Liebe zu sprechen.

Die Ehe wird oft dann zum Problem, wenn sie geschieden werden soll – vor allem für Frauen. Innerhalb oder außerhalb der Ehe sind Trennungen lebensgefährlich: Alle drei Tage tötet ein Mann eine Frau, unter anderem, weil sie sich trennte oder trennen wollte. Eine Ursache dieser Tötungen ist der Besitzanspruch, der mit der Ehe zusammenhängt: Die Frau gibt ihre Identität auf und wechselt zum »Stamm« des Mannes. Es gibt auch Männer, die den Nachnamen der Frau annehmen – das allerdings machen nur sechs Prozent der Ehemänner.

Was soll sich für Megan Fox und Machine Gun Kelly durch die Heirat verbessern? Nichts! Es sind Millionär*innen, für die die Ehe bloß ein Hobby oder höchstens ein Köder ist, um wieder in die Schlagzeilen zu kommen. Die Ehe als Institution profitiert viel mehr von ihnen als sie von ihr, weil ihre Social-Media-Aktion Menschen weltweit vermittelt: Das ist der Höhepunkt ihres Glücks. Aber stimmt das?

Laut dem Verhaltensforscher Paul Dolan nicht. Anhand von Daten stellt er die These auf, dass unverheiratete und kinderlose Frauen die glücklichste Gruppe in einer Gesellschaft sind. Unter Verheirateten seien eher Männer glücklich. Und trotzdem wird vor allem Mädchen und Frauen eingetrichtert, dass sie heiraten müssen. Durch Erziehung und Sozialisation, aber auch durch die Stigmatisierung von unverheirateten, kinderlosen Frauen.

Dieses Stigma kann Frauen wiederum unglücklicher oder ihnen Angst machen. Diese Angst findet sich auch in der Popkultur wieder. In der US-Serie »Friends« lebt die Protagonistin Monica Geller Staffel für Staffel mit der Panik, unverheiratet und kinderlos alt zu werden. In ihrem Buch »Der Ursprung der Liebe« stellt Liv Strömquist dar, wie cismännliche Komiker wie Charlie Sheen in der Serie »Two and a half Men« Millionen mit Witzen verdienen, in denen sie vorgeben, Single bleiben zu wollen, aber keine Ruhe vor den vielen Interessentinnen finden. Das Klischee liege ihrer Auffassung nach an Geschlechterrollen in hetero Ehen, in denen Kinder ihre Mütter mit Intimität und Zuverlässigkeit und Väter mit Eigenständigkeit und Distanz verbinden.

Ich höre Sie schon sagen: Es gibt verheiratete Paare, die glücklich sind. Klar, im Leben gibt es fast alles. Aber Menschen, die glücklich verheiratet sind, sind nicht wegen der Heirat glücklich, sondern weil sie sich offenbar richtig zueinander verhalten. Glück ist nämlich harte Arbeit; es fällt nicht vom Baum.

Eine Ehe ist vor allem eins: ein Vertrag, der zwei Menschen dem Staat gegenüber verpflichtet, Verantwortung füreinander zu tragen. Und ein Vertrag ist nun wirklich alles andere als romantisch. Es ist aber gerade diese Romantisierung, die tabuisiert, dass wir Probleme, die mit der Institution Ehe zusammenhängen, ansprechen und schließlich lösen können. Damit muss Schluss sein.

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