Olympischer Stresstest

Sponsoren setzen auf den chinesischen Markt

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Coca Cola sponsert seit fast 100 Jahren Olympische Spiele. Auch bei den an diesem Freitag beginnenden Winterspielen in Peking zählt der weltberühmte Brausehersteller zu den Hauptsponsoren. Doch Menschenrechtsbrüche, Überwachungsstaat und Null-Covid-Politik seien kein gutes Umfeld für Marketing, warnen westliche Medien. 14 globale Marken von Allianz und Alibaba bis eben Coca Cola wenden dennoch jeweils Hunderte Millionen Euro auf, um sich im Glanz der Spiele zu sonnen.

Angesichts der lautstarken Kritik aus Europa und den Vereinigten Staaten plant Coca Cola - so spekuliert die »Wirtschaftswoche« aus Düsseldorf -, keine Werbung während der Fernsehübertragung der Spiele in den USA zu senden. Die USA sind immerhin der wichtigste Markt für Konsumartikel weltweit. Auch andere Geldgeber der Spiele werden sich im globalen Norden wohl mit ihrem Reklamerummel zurückhalten.

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Ob sich Olympia für den Gastgeber China auszahlen wird, ist heute nicht abschließend einzuschätzen. Grund dafür ist vor allem die Tatsache, dass die wichtigsten Konjunkturdaten nicht nur von einem Großereignis abhängen, sondern lokalen, regionalen, nationalen und sogar globalen Einflüssen unterliegen.

Generell eher positiv betrachtet werden von Ökonomen allerdings die Auswirkungen auf die Infrastruktur, auf Sportstätten und Stadien. In China scheint außerdem - anders als etwa im russischen Sotschi - für überdimensionierte Sportstätten wie die Bobbahn oder die Skisprunganlage eine Nachnutzung gesichert zu sein. Buchautor Mark Dreyer (»Sporting Superpower: An Insiders View on China’s Quest to Be the Best«) verweist in seinem Podcast auf einen Plan der chinesischen Regierung, bis 2025 die größte Sportindustrie der Welt aufzubauen. In der Bewerbung versprach Peking, dazu 300 Millionen Menschen für den Wintersport zu begeistern.

Die nachhaltigen Erfolgsaussichten großer Sportveranstaltungen hängen stark vom Budget ab. Eine Studie der Universität Oxford hat sich dem Verhältnis von ursprünglich geplanten und tatsächlichen Aufwendungen angenommen, und dabei festgestellt, dass das Budget bei allen Olympischen Spielen im betrachteten Zeitraum um rund 150 Prozent überschritten wurde. Nur Peking hielt 2008 seine Finanzplanung für die Sommerspiele ein.

»Ein großes Fragezeichen«, so die norddeutsche Landesbank NordLB, steht über dem anstehenden Großereignis, ob es China gelingt, sein Bild in der Welt positiver zu gestalten: »Der reibungslosen Ausrichtung der Winterolympiade wird alles untergeordnet.« Diese Politik der Regierung von Staatspräsident Xi Jinping führt zu Einschränkungen für Industrie und Verbraucher und dürfte kurzfristig Konsum und Wachstum ein wenig bremsen. Eine mitreißende Olympiade könnte sich aber langfristig für Deutschlands wichtigsten Handelspartner durchaus auszahlen.

Von einem politischen Vertrauensverlust in breiten Teilen der Bevölkerung wie in Deutschland und Europa kann in China keine Rede sein, meint Björn Alpermann, China-Experte an der Universität Würzburg. »Im Gegenteil, erste Studien zeigen, dass im Zuge der Pandemiebekämpfung das Vertrauen der chinesischen Bürgerinnen und Bürger zumindest in die Zentralregierung gewachsen ist.«

Diese Zuversicht hat auch wirtschaftliche Gründe. Nach einem Rekordtief beim Wirtschaftswachstum 2020 von 2,2 Prozent vermeldete die amtliche Statistik für 2021 wieder ein starkes Ergebnis von 8,1 Prozent. Damit steht China wieder einmal besser da als Europa oder die USA. Auch dass China mit seiner alternden Bevölkerung, einem vergleichsweise hohen Verbreitungsgrad von Diabetes und von schlechter intensivmedizinischer Versorgung gewichtige Gründe für seine Null-Covid-Strategie haben könnte, so Alpermann, werde in deutschen Medienberichten selten thematisiert.

Für Unternehmen ist es vor diesem Hintergrund durchaus attraktiv, eine tragende Rolle bei der Ausrichtung der Winterspiele zu spielen. Wie groß der »Mehrwert« letztlich sein wird, ist allerdings fraglich. Wie auch bei einer Fußball-WM merken sich die meisten Konsumenten nicht, wer gerade Sponsor eines Großereignisses ist. Dennoch halten Marketingfachleute es für zweckmäßig, dabei zu sein: Ab einer gewissen Konzerngröße gehe das Publikum einfach davon aus, dass der Konzern die Olympischen Spiele sponsert.

Und gerade für unbekanntere Unternehmen bieten sich interessante Möglichkeiten, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Fast 70 weitere Partner spülen Milliarden Euro in die Kasse des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Das IOC um seinen deutschen Präsidenten Thomas Bach ist der Nutznießer der Sponsorengelder. Neben Sponsoren sind TV-Verträge Haupteinnahmequelle des IOC. Für den Vierjahreszyklus mit den Spielen in Peking und 2024 in Paris soll der Betrag aus beidem laut IOC auf etwa sechs Milliarden Euro steigen. Ein Zuwachs um die Hälfte gegenüber früheren Spielen.

Ob sich die Olympischen Spiele positiv auf Chinas Volkswirtschaft oder zumindest auf die drei Austragungsorte Peking, Yanqing und Zhangjiakou auswirken werden, hängt also nicht von Coca Cola und den anderen Sponsoren ab. Dabei heißt ein Werbeverzicht in den USA nicht, dass nicht in vielen Ländern Afrikas oder Asiens die Werbetrommel laut gerührt wird. Außerdem sollte die Bedeutung des chinesischen Marktes für Allianz und Co. keineswegs unterschätzt werden, er ist schon jetzt für viele Konzerne der größte. Die Konsumgewohnheiten dort werden stark von westlichen Vorbildern geprägt. Wer da als Olympiasponsor in der ersten Reihe sitzt, hat gute Karten.

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