Tod durch die Garotte

SALVADOR - KAMPF UM DIE FREIHEIT von Manuel Huerga

  • Angelika Kettelhack
  • Lesedauer: 3 Min.
Salvador Puig Antich, gespielt von Daniel Brühl, war 20 Jahre alt, als er unter dem Regime des spanischen Diktators Franco den Kampf aufnahm für das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht Utopien leben zu dürfen. Er war kaum 25 als er - abschreckendes Beispiel für andere Freiheitskämpfer - am 2. März 1974 als letzter politischer Gefangener in Spanien durch die Garotte, eine Art mittelalterliche Würgeschraube, barbarisch hingerichtet wurde. Bis zuletzt hatten seine vier Schwestern, seine Freunde und diverse Rechtsanwälte versucht, Salvador vor der Todesstrafe zu retten. Salvador, aufgewachsen in Barcelona, hatte seinen Kampf gegen Franco schon als Schüler begonnen, indem er weiterhin das verbotene Katalanisch sprach. Bis zu Francos Tod 1975 war nur das Kastilianisch als Nationalsprache für alle Spanier erlaubt. Im Gefolge der 68er Studentenaufstände engagierte sich Salvador für die verbotene Arbeiter-Gewerkschaft, fand aber bald heraus, dass diese ebenso hierarchisch gemäß den ihm so verhassten etablierten Herrschaftsstrukturen organisiert war. Deshalb schloss er sich - zusammen mit anderen Studenten - dem militärischen Flügel der anarchistischen Freiheitsbewegung MIL (Movimiento Ibérico de Liberación) an. Die jungen Rebellen operierten im Untergrund: Sie überfielen Banken, finanzierten Streiks und unterstützten mit einer Art Robin-Hood-Mentalität die Familien inhaftierter Gewerkschaftler. Wenn es ihnen zu gefährlich wurde, flohen sie ins benachbarte Frankreich, wo Gesinnungsfreunde sie begeistert aufnahmen und mit ihnen berauscht ihre Erfolge feierten. Sie schafften es aber immer wieder nach Barcelona zurückzukehren. Manuel Huerga inszeniert diese Begeisterung für den revolutionären Kampf als schwindelerregenden Tanz auf dem Vulkan, bei dem der Zuschauer von Beginn an ahnt, dass er nicht gut enden kann: Mitten in Barcelona kam es im September 1973 zu einer hektischen Schießerei zwischen den Studenten und einer Spezialeinheit der gefürchteten Guardia Civil. Dabei wurde Salvador schwer verwundet, dann endgültig festgenommen. Der 50-jährige katalanische Regisseur Huerga, der vom Alter her nicht zu den Achtundsechzigern zählt, will keine »nostalgische Reise in einen lokal begrenzten anekdotischen Abschnitt der spanischen Geschichte« zeigen. Es gelingt ihm, den damaligen Zeitgeist als länderübergreifende Bewegung in der Form eines historisch verbürgten Krimis nachvollziehbar zu machen. Wiederholt schlägt Huerga den Zuschauer mit überraschenden und fulminanten Schnittfolgen in seinen Bann. Obwohl »Salvador« erst sein zweiter Spielfilm ist, lässt sich an den Montagen der vielfach preisgekrönte Experimentalfilmer und an der akribisch erzählten Geschichte der Dokumentarist erkennen. Huerga sagt, er wolle mit diesem Film an die »unbeglichene Schuld gegenüber der jüngsten Geschichte meinens Landes, gegenüber dem "legalen Mord" an Salvador Puig Antich« erinnern und zugleich auch deutlich machen, dass dieser kein Nationalist, sondern ein Anarchist war und, »dass die katalanischen Nationalisten ungerechtfertigt versuchten, seine Geschichte für ihre Zwecke zu vereinnahmen.« Daniel Brühl spielt den Helden mit gezämter Leidenschaft. Er gibt dabei weder einen naiven Idealisten noch einen bedauernswerten Märtyrer, sondern einen renitenten, fast sturen jungen Mann, der sich als charismatischer Kämpfer allein der Sache verpflichtet fühlt. Und das auch ohne Rücksicht auf seinen Vater, der Jahre zuvor selbst im katalanischen Widerstand gekämpft hatte und erst direkt vor seiner Hinrichtung begnadigt worden war. Salvadors vier Schwestern erhoffen für ihren Bruder bis zuletzt ein ähnlich gutes Schicksal. Huerga hat für »Salvador« mit poppigen Bildern und rasantem Schnitt eine »moderne« Filmsprache gewählt, die dem jungen Zuschauer die Identifikation mit den Protagonisten erleichtert, was aber auch dadurch begünstigt wird, dass alle im Film handelnden Figuren unter 30 sind. Salvador Puig Antich wurde nach dem Tod Francos für viele Heranwachsende zum Idol des politischen Widerstands. Der Film über ihn lief im offiziellen Programm der Filmfestspiele in Cannes. In Spanien war er 2006 neben »Volver« der erfolgreichste Film des Jahres.
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