Anbieter lehnt mit Klauseln den Versicherungsschutz ab

Reiserücktrittsversicherung in zeiten der Pandemie

  • Lesedauer: 2 Min.

Mit Ausschlussklauseln versuchen Versicherungen, sich der Haftung in bestimmten Fällen zu entziehen. So schließt die Union Reiseversicherung eine Covid-19-Erkrankung als Grund für einen Reiserücktritt aus, formuliert dies aber so abstrakt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), dass der Ausschluss kaum erkennbar ist.

Deshalb hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfahlen (vznrw) den Versicherer mit einer Abmahnung aufgefordert, sich nicht auf den Ausschluss zu berufen. Da der Versicherer die Unterlassungserklärung nicht abgab, klagt die Verbraucherzentrale nun vor dem Landgericht München.

Was Verbraucher über Reiserücktrittsversicherungen wissen sollten
Die Verbraucherzentrale NRW rät zum Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung:

In der Regel ist der Abschluss spätestens 30 Tage vor Reiseantritt noch möglich.

Ein positiver Coronatest ist keine schwere Erkrankung und damit kein Rücktrittsgrund. Auch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes ist kein Rücktrittsgrund.

Eine Reiserücktrittsversicherung tritt grundsätzlich dann ein, wenn nach der Buchung der Reise und Abschluss der Versicherung der Urlauber bzw. eine mitversicherte Person krank wird und eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorlegen kann. Eine Reiserücktrittsversicherung tritt in der Regel auch beim plötzlichen Verlust des Arbeitsplatzes, teilweise auch bei Kurzarbeit ein.

Viele Versicherer bieten wegen Corona optionale Zusatzbausteine an. Damit lässt sich zum Beispiel das Risiko absichern, dass man eine Reise wegen einer Quarantäne nicht antreten kann. In der Regel ist der Kostenaufschlag gering.

Eine Klausel, die einen Versicherungsschutz bei einer Corona-Erkrankung ausschließt, muss deutlich in den Bedingungen formuliert sein. Beim Abschluss sollte keine Selbstbeteiligung im Versicherungsfall vereinbart werden. Zudem sollte auch der Reiseabbruch versichert sein.

Eine Auslandsreise-Krankenversicherung übernimmt die Behandlungskosten bei medizinisch notwendiger Heilbehandlung im Ausland sowie die Kosten für einen Krankenrücktransport, wenn er »medizinisch notwendig« oder »medizinisch sinnvoll und vertretbar« ist. Das ist gerade bei Reisen in Länder außerhalb der EU wichtig. Auch innerhalb der EU erhält man Kosten bei Krankheit im Urlaub nur teilweise zurück.

Privatärztliche Leistungen erstattet die gesetzliche Krankenversicherung nicht. Bei privat Versicherten kommt es auf den persönlichen Tarif an. Grundsätzlich sollten Reisende derzeit darauf achten, dass ein Versicherungsschutz auch bei einer Reisewarnung im Zielland besteht oder wenn man selbst an Covid-19 erkrankt.

Manche Tarife verlängern den Versicherungsschutz, wenn eine im Urlaub angeordnete Quarantäne die Rückreise verzögert oder wenn man sich zum Zeitpunkt der Reisewarnung bereits im Ausland befindet.

Eine Reiserücktrittsversicherung greift immer, so die Verbraucherschützer, wenn der Reiseantritt wegen einer unerwarteten, schweren Erkrankung nicht zumutbar ist. Die Union Reiseversicherung schreibt aber auf ihrer Webseite, eine Covid-19-Erkrankung sei als Reiserücktrittsgrund nicht versichert, weil man »Schäden durch Pandemien« ausschließe.

»Das verstehen Verbraucher ganz anders«, sagt Rita Reichard, Versicherungsrechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW. »In dieser Form sind normalerweise Schäden durch Krieg, Streik oder Kernenergie formuliert, sogenannte Kumulschäden im Versicherungsrecht, die zeitgleich viele Personen betreffen. Hier geht es aber um die Erkrankung einzelner Versicherter.«

Nach Ansicht der Verbraucherzen-trale NRW ist ein solch genereller Ausschluss des Versicherungsschutzes intransparent und nicht mit den Vorschriften für Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbar. »Damit sind solche Versicherungsbedingungen nach unserer Auffassung unwirksam.«

Diese Frage muss nun gerichtlich geklärt werden. Für Verbraucher bedeutet das nämlich, wie Rita Reichard dazu erklärt: »Eine Corona-Erkrankung ist nicht automatisch als Reiserücktrittsgrund ausgeschlossen, nur weil ein Versicherer das so schreibt. Vielmehr kommt es auf die Formulierung an.«

Grundsätzlich empfiehlt es sich derzeit, bei derzeitigen Reiseplanungen den eigenen Versicherungsschutz genau zu überprüfen. »Auch in diesem Jahr bleibt die Corona-Lage unberechenbar. Deshalb kann eine Reiserücktrittsversicherung sinnvoll sein, vor allem bei teuren Reisen oder beim Urlaub mit Kindern«, rät die Verbraucherschützerin Rita Reichard. vznrw/nd

Weiterführende Links und Informationen zu Reiserücktrittsversicherungen und Corona gibt es unter https:// www.verbraucherzentrale.nrw/node/46677. Infos zur Auslandsreisekrankenversicherungen unter https:// www.verbraucherzentrale.nrw/node/10713

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