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»Es sind Leute, die wir kennen«

Uta Tochtermann von der Nachrichtenagentur AFP über vertrauenswürdige Fotografen und die Arbeit in Kriegszeiten

Wir bekommen in den letzten Tagen verstärkt Fragen, ob die Bilder, die wir veröffentlichen, gefälscht sein könnten. So etwas hätten Leser*innen im Internet gesehen. Gerade zum Krieg in der Ukraine können wir fast ausschließlich auf Agenturbilder zurückgreifen. Daher die Frage an Sie: Wie kommen Sie zu Ihrem Material und wie verifizieren Sie es?
Wir arbeiten in aller Regel mit eigenen Fotografen vor Ort, die entweder einen lokalen Bezug haben, also von dort kommen, oder die wir ins Kriegsgebiet entsenden. In jedem Fall sind das Leute, die wir kennen, denen wir vertrauen und von denen wir wissen, dass sie uns keine Fake-Bilder senden würden. Meist handelt es sich um feste Fotografen, die für AFP tätig sind. Aber auch die Freien sind Leute, mit denen wir seit Jahren zusammenarbeiten. Die Gewissheit, dass wir zuverlässige Leute vor Ort haben, ist unser höchstes Gebot, sonst würden wir als Nachrichtenagentur recht schnell an Glaubwürdigkeit verlieren. Wir schicken auch nur erprobte Leute hin, die bereits über Erfahrung in Krisenregionen verfügen und die ein bestimmtes Training durchlaufen haben, mit dem sie auf den Einsatz in bewaffneten Konflikten vorbereitet werden.

Es braucht also kein zusätzliches Prozedere in der Agentur, mit dem das Material nochmals geprüft wird?
Es gibt ein Prozedere, nämlich durch die Tatsache, dass die Bilder immer über den Tisch der Bildredaktion laufen. Ein Bild darf von Fotografen nie direkt in die Datenbank geladen werden, das ist komplett verboten. In der Bildredaktion gilt das Vier-Augen-Prinzip. Zweifelhafte Motive oder solche, die zu furchtbar sind, um sie den Kunden zuzumuten, werden aussortiert, oder es wird zumindest darüber gesprochen, ob man diese Bilder aussenden kann oder nicht. Das Bildmaterial aus der Ukraine läuft über unser Büro in Moskau – was aber definitiv nicht von Putin gesteuert ist (lacht) – oder über die Zentrale in Paris, wo die Chefredaktion sitzt.

Interview
Uta Tochtermann ist Leiterin der Bildredaktion beim Berliner Büro der Nachrichtenagentur AFP, zuständig für Deutschland und Nordosteuropa. Frank Schirrmeister sprach mit ihr über die Herkunft des Bildmaterials der Agentur zum Krieg in der Ukraine. 

Was passiert mit Bildern, die Ihnen von freien Fotografen angeboten werden, die nicht exklusiv für AFP arbeiten?
Es kann natürlich passieren, dass uns jemand Bilder anbietet, den wir nicht kennen. Aber das dürfte eine Ausnahme sein, die auch sehr genau überprüft würde. Die Fotografen kennen sich ja untereinander, oft arbeiten sie auch zusammen. Schon aus Sicherheitsgründen geht nie ein Fotograf alleine los, selbst wenn es eigentlich ein Konkurrenzverhältnis zwischen ihnen gibt.

Aber wenn etwas passiert, können sie sich gegenseitig helfen oder Hilfe holen. Deswegen ist es fast unmöglich, dass wir Bilder von jemandem angeboten bekommen, den wir nicht kennen, und wenn, würde das vor Ort und mit der Chefredaktion abgeklärt werden. Unser weltweites Netzwerk ist so groß, dass es immer mal neue Namen geben kann, die ich persönlich nicht kenne, auch in Russland oder der Ukraine. Aber in aller Regel sind das alles regelmäßig für uns arbeitende Fotografen. In der aktuellen Krise haben wir bislang keine Bilder genommen, die uns angeboten worden wären.

Oft senden Sie sogenannte Handouts, also Bilder, die nicht von eigenen Fotografen gemacht, sondern von (regierungs-)offiziellen Stellen zur Verfügung gestellt werden. Wie vermeiden Sie, zum Handlanger von deren Propaganda zu werden?
Das ist tatsächlich ein schwieriges Thema. Manchmal kommen wir nicht darum herum, wenn es keine Möglichkeit gibt, eigene Bilder zu machen. An den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Beispiel kommt derzeit kein Fotograf heran, es gibt auch keine offiziellen Termine. Da man es aber auf Dauer schlecht vermeiden kann, auch ihn mal zu zeigen, müssen wir in solchen Fällen auf Material zurückgreifen, das von der Presseabteilung des Kreml zur Verfügung gestellt wird. Das sind aber Ausnahmen!

In der Regel versenden wir kein amtliches Bildmaterial. Selbst in Deutschland verwenden wir so gut wie nie Material des Bundespresseamtes, das kommt vielleicht einmal im Jahr vor. Dann sind solche Bilder ganz klar als Handout-Bild gekennzeichnet, und es gibt Restriktionen: Diese Bilder dürfen beispielsweise nur für die nachrichtliche Berichterstattung verwendet werden.

Wird denn bestimmtes Bildmaterial aus unklaren Quellen noch mal auf technische Manipulationen, also Retuschen oder Bearbeitungen, hin untersucht?
Ja, wir haben ein sehr aufwendiges technisches System, eine Software, die alle Schichten eines digitalen Bildes »durchleuchten« und feststellen kann, ob es mit einer Bildbearbeitungssoftware manipuliert wurde. Das machen wir in Fällen, in denen es begründete Zweifel gibt. Das war aber in dieser Krise bislang nicht vonnöten, da wir wie gesagt nur mit eigenen Fotografen berichtet haben.

Welche Politik verfolgen Sie im Hinblick auf explizite Gewaltdarstellungen? Senden Sie alles in die Datenbank und der Kunde soll entscheiden oder sortieren Sie auch aus?
Wie gesagt, alle Bilder laufen zuerst über den Tisch der Bildredaktion. Es werden ja nie alle Bilder an die Kunden geschickt, was schon zahlenmäßig unmöglich wäre. Und natürlich wird vorsortiert und werden besonders furchtbare Bilder zurückgehalten. Wir sind schon der Meinung, dass man auch über Gewalttaten berichten muss, aber es gibt Grenzen des Zeigbaren. Im Zweifel gibt es das Vier-Augen-Prinzip und zusätzlich den Chef vom Dienst beziehungsweise den Chefredakteur. Es gibt für diese Fälle keine allgemeine Regel, aber wir gehen ganz sicher nicht leichtfertig vor. Prinzipiell gilt auch, dass wir Bilder mit Gewaltdarstellungen nur im Kontext zeigen, nicht um der Gewalt willen.

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