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  • Energiepreis-Entlastungspaket

Kalt erwischt vom 9-Euro-Ticket

BVG will nachhaltigen Aufbruch für Bahnen und Busse - Abos sollen drei Monate kostenlos sein

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Ankündigung der Bundesregierung von letzter Woche, dass die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs als Teil des Entlastungspakets wegen steigender Energiepreise für neun Euro 90 Tage genutzt werden soll, sorgt bei den überraschten Verantwortlichen weiterhin für Verwirrung. Denn die Umsetzung ist längst nicht so trivial, wie das zunächst scheint.

»Es gibt nach wie vor verschiedene Szenarien, die gerade in verschiedensten Gremien diskutiert und beraten werden«, sagt Joachim Radünz, Sprecher des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg am Montag zu »nd«. Zurzeit gebe es noch keine konkreten Umsetzungsergebnisse. Immerhin die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben schon am Donnerstag ein internes Strategiepapier verfasst, das »nd« vorliegt. Sie schlagen darin vor, dass Abonnentinnen und Abonnenten in dem Drei-Monats-Zeitraum komplett kostenlos fahren können sollten. Einerseits, um »besonders bestätigt« zu werden. Das zweite Argument laut BVG: »Aufwand und Organisation wären deutlich reduziert.« Das soll auch für Menschen gelten, die bis zu einem Zeitpunkt X ein Abo abschließen. Wer das nicht will, soll das Drei-Monats-Ticket für 9 Euro nur digital erwerben können. 4,5 Millionen Euro mehr pro Monat würde die Gratis-Regelung für Abo-Fahrgäste laut BVG zu den geschätzt 40 bis 45 Millionen Euro monatlich, die für die Bundesregelung veranschlagt werden, kosten.

BVG sieht keine Kapazitätsprobleme

Kapazitätsprobleme durch mehr Fahrgäste sieht man bei der BVG nicht: »Durch die Auswirkungen der Pandemie ist die Nachfrage aktuell um 20 Prozent niedriger als im Normalfall. Das heißt, wir haben grundsätzlich genügend Platz, um zusätzliche Fahrgäste aufnehmen zu können, die durch ihren Umstieg auf den ÖPNV ihren Beitrag zur Reduzierung des Verbrauchs fossiler Treibstoffe leisten wollen«, heißt es im Papier. So manche Linie ist aber auch derzeit im Berufsverkehr an der Auslastungsgrenze, zum Beispiel die U5, bei der wegen eines Serienfehlers eine ganze Baureihe bis voraussichtlich Mitte des Jahres außer Betrieb ist. Deswegen fahren nicht alle Züge in voller Länge.

Die BVG schlägt auch autofreie Sonntage und Pop-up-Busspuren nach Vorbild der Radspuren als kurzfristige Maßnahmen vor. Der Vorlauf würde laut Papier acht bis zehn Wochen betragen. In fünf Monaten könnten »bei sofortiger Entscheidung« mit dem bestehenden Fuhrpark dichtere Takte und längere Verkehrszeiten angeboten werden. Dafür müssten mehr Fahrerinnen und Fahrer rekrutiert werden, auch unter den Flüchtlingen aus der Ukraine. Bis zu einem Jahr Vorlauf benötigt ein weiterer Ausbau des Busangebots. Bei U- und Straßenbahn sind wegen fehlender Fahrzeuge und Werkstattkapazitäten erst langfristig Verdichtungen möglich.

Brandenburg muss berücksichtigt werden

»Berlin diskutiert wie immer nur für sich«, sagt Fritz Viertel zu »nd«. Er ist Brandenburger Landesvorsitzender des ökologisch orientierten Verkehrsclubs VCD. »Das 9-Euro-Ticket muss länderübergreifend gelten, sonst ist es für viele Brandenburger wertlos«, sagt er. Er sieht für die Landkreise und kreisfreien Städte, die für den Nahverkehr zuständig sind, »keine finanziellen Spielräume, auf die Bundesmittel noch etwas draufzulegen«. Es sei auch noch die Frage, wie die Finanzierung durch den Bund erfolge. »Es wäre kontraproduktiv, wenn es von den Regionalisierungsmitteln abgezwackt wird, denn das Geld fehlt dann für den ÖPNV-Ausbau«, so Viertel.

Für Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB ist klar, dass das 9-Euro-Ticket jeweils im ganzen Verbund gelten soll. »Es ist grundsätzlich auf der großen politischen Agenda angekommen, dass etwas für den ÖPNV getan werden muss«, lobt er den Vorstoß. »Die Idee ist schon richtig, aber in der Eile werden auch Fehler gemacht«, so Wieseke weiter. Entscheidend sei, dauerhaft neue Fahrgäste zu gewinnen. Beim Ausbau gebe es aber derzeit ein »Umsetzungsproblem«.

Studierenden- und Sozialtickets

»Es sind viele Fragen zu klären, auch wie Studierende oder Bezieher*innen des Sozialtickets von der Regelung profitieren können«, sagt Kristian Ronneburg zu »nd«. Er ist Verkehrsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Er schätzt, dass das Aktionsticket frühestens im Juni oder Juli umgesetzt werden kann, »kurz bevor die leidigen Diskussionen zu Fahrpreiserhöhungen beginnen«. Mit dem Bund müsse diskutiert werden, wie »Flurschäden« verhindert werden können.

Davor warnt auch Fritz Viertel aus Brandenburg. »Es darf keinen großen Sprung auf die alten Abopreise geben, wenn man die Leute im ÖPNV halten will. Zumindest einen fließenden Übergang muss es geben«, fordert er.

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