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Wochen der Wahrheit

In der Frauen-Bundesliga fällt im direkten Duell zwischen Wolfsburg und Bayern die Vorentscheidung im Meisterschaftskampf

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Es gibt auf Vereinsebene keinen Titel, den Almuth Schult noch nicht gewonnen hat. Fünfmal holte die Torhüterin mit dem VfL Wolfsburg die Deutsche Meisterschaft, siebenmal hintereinander den DFB-Pokal und einmal, gleich in ihrer Premierensaison 2013/2014, die Women’s Champions League. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass eine Meinungsmacherin im deutschen Frauenfußball in ihrer Abschiedssaison bei den Niedersachsen noch alle drei Titel gewinnen kann. »Drei Spiele entscheiden über den kompletten Ausgang der Saison, ob wir eine gute Saison gespielt haben oder nicht«, hat die 31-Jährige unter der Woche gesagt.

Ein erster großer Schritt ist gelungen, nachdem der VfL Wolfsburg am Donnerstagabend nach einer spielerisch, kämpferisch und taktisch reifen Leistung das Halbfinale der Women’s Champions League (2:0 gegen den FC Arsenal) erreichte. Einen Tag zuvor hatte der FC Bayern nach einem nicht minder starken Auftritt im Viertelfinale (2:2 nach Verlängerung bei Paris St. Germain) die Segel streichen müssen. Die Niedersachsen zermürbten ihren Gegner mit einem perfekten Angriffspressing, die von argen Corona-Sorgen zerrütteten Bayern boten einen fast schon heroischen Kampf. Wenn es eines Beleges brauchte, dass die deutschen Topvereine mit ihren vielen deutschen Nationalspielerinnen international konkurrenzfähig sind, dann wurde dieser Beweis erbracht.

Nun wartet in der Frauen-Bundesliga direkt das Spitzenspiel: Spitzenreiter Wolfsburg genießt Heimrecht gegen den einen Punkt zurückliegenden Meister Bayern (Sonntag 14 Uhr/NDR). Es ist die Vorentscheidung eines Meisterschaftskampfes, der - anders als bei den Männern - seinen Namen noch verdient. Bei einem Sieg der »Wölfinnen« wäre eine Vorentscheidung gefallen, denn das Restprogramm (SGS Essen, Carl-Zeiss Jena, Bayer Leverkusen) ist danach nicht gerade mit Stolperfallen gepflastert.

Trainer Tommy Stroot mag keinen Nachteil darin erkennen, dass es ohne Atempause ins nächste Highlight geht. »Schlafen, regenerieren, arbeiten, und dann kommt der nächste Spieltag. Aber das ist das Geilste überhaupt: Uns machen diese Spiele eine Riesenfreude«, versicherte der 33-Jährige. Der Coach hatte seinen Spielerinnen im Kreis gleich zugerufen: »Genießt den Moment: Barcelona!«

Zur Belohnung für die Bravourleitung gegen Arsenal vor immerhin 11 293 Zuschauern in der VW-Arena - erstmals seit acht Jahren spielten die Frauen wieder dort auf - warten nun an den letzten beiden April-Wochenenden die Duelle gegen den Titelverteidiger FC Barcelona, der mit seinem Zuschauerweltrekord - 91 553 Fans im Camp Nou gegen Real Madrid - weltweit in aller Munde ist. Für Schult ist es »pure Vorfreude, dass wir als nächstes im Camp Nou antreten dürfen.« Dort einmal zu spielen, habe sie immer »als Ziel im Hinterkopf« gehabt. Für Mitspielerinnen wie Lena Oberdorf geht ein »Kindheitstraum in Erfüllung«. Wolfsburg hatte zuletzt 2020 im Finale gestanden, zudem 2013 und 2014 die weibliche Königsklasse gewonnen.

Nur allzu gerne hätte auch der FC Bayern nach 2019 und 2021 wieder wenigstens ein Champions-League-Halbfinale erreicht und das innerfranzösische Duell zwischen Paris und Olympique Lyon verhindert, doch die Münchnerinnen beklagten zuletzt einen Corona-Ausbruch zur Unzeit. Nach den positiven Tests von Linda Dallmann, Jovana Damnjanovic, Karolina Vilhjalmsdottir, Carina Wenninger, Sarah Zadrazil und Franziska Kett fehlten den Bayern am Mittwochabend vor 27 262 lautstarken Fans im Pariser Prinzenpark in der Verlängerung die personellen Alternativen.

Trainer Jens Scheuer musste sich damit trösten, »dass wir in beiden Spielen gezeigt haben, dass wir das bessere Kollektiv sind«. Seine Nationalstürmerin Klara Bühl empfahl, die »Köpfe nach oben zu nehmen und nach vorne zu schauen«. Aber wie viel Kraft bringt der dezimierte Kader noch auf? Nach der Länderspielpause treffen Bayern und Wolfsburg, die sich die nationalen Titel seit 2015 untereinander aufteilen, gleich wieder im Halbfinale des DFB-Pokals in München aufeinander (17. April). Wolfsburgs Wortführerin Schult sieht die Vorteile bei ihrem Team: »Man hat hoffentlich gesehen in den letzten Wochen, dass die Mannschaft sich mehr und mehr gefunden hat.«

Auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg glaubt, »was Wolfsburg im Moment auszeichnet, ist eben, dass sie echte Mentalitätsspielerinnen haben. Die sind alle gewachsen.« Die Nationalspielerinnen Lena Lattwein oder Tabea Waßmuth haben nach ihrem Wechsel von der TSG Hoffenheim sofort tragende Rollen eingenommen und die Langzeitausfälle der nun gerade wieder zurückgekehrten Leistungsträgerinnen Alexandra Popp oder Ewa Pajor aufgefangen. So bilden Wolfsburg und Bayern weiter für die Bundesliga die Benchmark, Turbine Potsdam, Eintracht Frankfurt und TSG Hoffenheim balgen sich nur um den dritten Champions-League-Platz.

Für Voss-Tecklenburg ist es »beeindruckend, wie weit Wolfsburg und Bayern vor dem Rest der Liga sind. Sie können Herausforderungen und Rückschlägen besser standhalten.« Das deutet auch darauf hin, dass an dieser Dominanz des Duos so schnell gerüttelt wird.

Der VfL hat für die neue Saison ja nicht nur Toptalent Jule Brand aus Hoffenheim verpflichtet, sondern auch bereits die Torwartfrage geklärt: Merle Frohms als aktuelle Nummer eins der DFB-Frauen steigt in Frankfurt vorzeitig aus ihrem Vertrag aus, um nach Wolfsburg zurückzukehren. Titelsammlerin Schult wird dann, so glauben viele enge Beobachter, ihre Karriere in der US-Profiliga fortsetzen.

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