• Berlin
  • Soziale Stadtentwicklung

Corona-Folgen verschärfen Armut

Zunahme der Langzeit-Arbeitslosigkeit in bereits besonders betroffenen Berliner Kiezen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

In Kiezen, in denen große Anteile der Bewohnerschaft bereits früher nicht auf Rosen gebettet waren, haben die Folgen der Coronakrise die Armut noch einmal verschärft. Das ist das Kernergebnis des jüngst vorgelegten Monitorings Soziale Stadtentwicklung 2021. Hauptgrund ist der starke Anstieg der Bezieher*innen von Arbeitslosengeld II. Erstmals seit 2009 ist dieser Wert gewachsen - von stadtweit 4,2 auf 5,3 Prozent. Gesunken ist jedoch der Anteil der Transferleistungsbeziehenden mit Arbeitsstelle. Als »sehr wahrscheinlich« betrachten die Autor*innen der Studie allerdings, dass diese Menschen ihre gering bezahlten Stellen verloren haben. Gerade in der Gastronomie und anderen Dienstleistungen, die besonders von der Coronakrise betroffen waren, gibt es einen hohen Anteil schlecht bezahlter Arbeitsgelegenheiten.

In der Weißen Siedlung an der Sonnenallee in Neukölln stieg der Anteil der Hartz-IV-Bezieher*innen 2020 im Vergleich zum Jahr 2019 um fast 5,5 Prozentpunkte auf recht genau 16 Prozent. Im Wohngebiet am Volkspark Prenzlauer Berg ging dieser Wert um knapp 4,7 Prozentpunkte auf fast 13,6 Prozent hoch. Im an die Gemeinde Schönefeld angrenzenden Kosmosviertel in Treptow-Köpenick bezogen 2020 knapp 10,3 Prozent der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter Arbeitslosengeld II - 3,1 Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor. In insgesamt 37 von 542 Planungsräumen genannten Kiezen in der Hauptstadt wurden zweistellige Anteile an Hartz-IV-Beziehenden registriert.

Von dieser steilen Aufwärtsentwicklung betroffen waren auch fast vollständig der Norden Kreuzbergs, angrenzende Gebiete in Mitte, außerdem Teile von Moabit und Schöneberg sowie der Gropiusstadt. Ebenfalls betroffen sind Teile von Marienfelde, Hellersdorf, Wartenberg und Schöneberg.

Nur 3,3 bis 3,5 Prozent Arbeitslosengeld-II-Beziehende wurden hingegen in den beiden Stadtentwicklungsgebieten Heidestraße nördlich des Hauptbahnhofs und Schöneberger Linse am Bahnhof Südkreuz registriert. Mit einem Rückgang um je ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich der Zuzug von Menschen aus gesicherten sozialen Verhältnissen in die meist hochpreisigen Neubauten. Ebenso deutlich sank in den beiden Gebieten der Anteil der Transferleistungsempfänger*innen, also aufstockende Geringverdiener*innen und Bezieher*innen der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit sowie Kinderarmut. Dies sind die beiden weiteren wichtigen Sozialindikatoren, auf deren Basis die Kieze in die vier sozialen Statuskategorien hoch, mittel, niedrig oder sehr niedrig, versehen mit einem Dynamik-Index positiv, stabil oder negativ eingeteilt werden.

Das Monitoring Soziale Stadtentwicklung Berlin wird seit 1998 als kontinuierliches Stadtbeobachtungssystem der sozialräumlichen Entwicklung auf Gebietsebene im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen erstellt.

Seit Jahren zeigt sich besonders in vielen Innenstadtgebieten eine kontinuierliche Verbesserung des sozialen Status. Oft ist das jedoch nicht die Folge verbesserter Einkommen der Stammbevölkerung, sondern der Verdrängung ärmerer Menschen aus diesen Kiezen. Gleichzeitig war vor allem in Siedlungen am Stadtrand eine kontinuierliche Verschlechterung der Werte zu beobachten, weil sich die verdrängten Menschen hier noch Wohnungen leisten konnten. Die Kinderarmut verharrt stadtweit mit einem Anteil von 27 Prozent auf einem sehr hohen Niveau. Mehr als jedes vierte Kind in Berlin wächst also in finanziell prekären Verhältnissen auf.

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