Sozialdemokraten auf Nato-Kurs

Die Bundesregierung unterstützt die Bestrebungen Finnlands und Schwedens, dem Militärbündnis beizutreten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine führt dazu, dass die westlichen Staaten enger zusammenrücken. Finnland und Schweden erwägen ernsthaft, Mitglieder der Nato zu werden. Am Dienstag waren die beiden Regierungschefinnen der nordischen Länder, Sanna Marin und Magdalena Andersson, bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts in Schloss Meseberg bei Berlin zu Gast.

Zum Auftakt des Treffens sagte Bundeskanzler Olaf Scholz: »Für uns ist klar: Wenn sich diese beiden Länder entscheiden sollten, dass sie zur Nato-Allianz dazugehören wollen, dann können sie auf unsere Unterstützung zählen.« Das Militärbündnis würde beide Staaten mit offenen Armen aufnehmen. Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte Finnland und Schweden eine zügige Aufnahme zugesagt, wenn sie einen Antrag stellen sollten. Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe das »Sicherheitsumfeld« ihres Landes »stark verändert«, erklärte Marin. Finnland hat mit seinem östlichen Nachbarn eine rund 1300 Kilometer lange Grenze.

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Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Wie in vielen anderen Staaten hat auch in Schweden und Finnland der Krieg zu einer Aufrüstungsdebatte geführt. Die sozialdemokratischen Ministerpräsidentinnen wollen deutlich mehr Geld als bisher in ihr Militär stecken. Schweden werde seine Verteidigungsfähigkeiten ausbauen und die Wehrausgaben so schnell wie möglich auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen, erklärte Andersson. Sie kündigte an, dass ihre Regierung am 13. Mai eine Analyse zur Sicherheitslage vorstellen werde, auf deren Grundlage eine öffentliche Debatte über einen Nato-Beitritt geführt werden solle.

Scholz hat trotz der deutschen Unterstützung für die Ukraine entschieden, dass er vorerst nicht nach Kiew fahren will. Es sei »ein ganz bemerkenswerter Vorgang« gewesen, den gerade mit großer Mehrheit wiedergewählten Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auszuladen, sagte der SPD-Mann am Montag in der ZDF-Sendung »Was nun?«. »Es kann nicht funktionieren, dass man von einem Land, das so viel militärische Hilfe leistet, so viel finanzielle Hilfe leistet, das gebraucht wird, wenn es um die Sicherheitsgarantien geht, die für die Zeit der Ukraine in der Zukunft wichtig sind, dass man dann sagt: Der Präsident darf aber nicht kommen«, fügte Scholz hinzu. Die Regierung in Kiew hatte die frühere Russland-Politik der Bundesregierung und von Steinmeier kritisiert, der einst für die SPD Außenminister war.

Die Bundesregierung teilte mit, dass sie in den ersten acht Kriegswochen Waffen und andere Rüstungsgüter im Wert von mindestens 191,9 Millionen Euro in die Ukraine geliefert habe. Scholz betonte, dass die Hilfe Deutschlands und anderer Staaten dazu beigetragen habe, »dass die ukrainische Armee, die wirklich sehr erfolgreich agiert, jetzt so lange durchhalten kann gegen einen so übermächtigen Gegner«.

Am Dienstagmittag traf der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz mit dem Zug in der ukrainischen Hauptstadt ein. Merz wollte unter anderem den ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal und Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko treffen. Der frühere Boxweltmeister war einst mit großer Unterstützung der CDU und der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung in die Politik gestartet. Merz wurde auch von Präsident Wolodymyr Selenskyj empfangen.

Das Bundeskabinett befasst sich auf der Klausur, die an diesem Mittwoch enden wird, nicht nur mit geopolitischen Fragen. Hinzu kommen die ökonomischen Herausforderungen infolge der Ukraine-Krise und die ökonomischen Folgen der großen Transformation durch den Klimawandel. Scholz erklärte, dass Deutschland die erneuerbaren Energien ausbauen und unabhängig von fossilen Ressourcen werden solle. Dies sei ein langfristiges Ziel. Die Politiker der Bundesregierung werden mit Wissenschaftlern darüber diskutieren, »wie wir sicherstellen können, dass wir in zehn, 20, 30 Jahren noch gute Arbeitsplätze haben trotz all der Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen. Wir sind sehr sicher, dass das gelingt«, sagte Scholz.

Die Regierung aus SPD, Grünen und FDP trifft sich dazu mit Wirtschaftswissenschaftlern, die unterschiedliche Haltungen vertreten werden. Zur Diskussion wurden der Direktor des unternehmernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, und der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Sebastian Dullien, erwartet. Die Kosten für Energie, Lebensmittel und Mobilität steigen stark an. Aus Sicht der FDP soll es aber trotzdem keine weiteren Entlastungspakete für die Bürger geben. Parteichef Christian Lindner will stattdessen im Steuersystem die sogenannte kalte Progression korrigieren. Diese ist eine schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt.

Das Kabinett werde die Zeit für viele Gespräche nutzen, »die man braucht, damit man sorgfältig Themen vertiefen kann, die so im Alltag der ganzen Tagesordnung nicht so sorgfältig besprochen werden können, wie das notwendig ist«, sagte Scholz. »Das wird sicherlich dazu beitragen, dass die Regierung ihren Kurs zur Modernisierung Deutschlands weiter fortsetzen kann – gerade auch in diesen schwierigen Zeiten.« Die Klausurtagung endet mit einer gemeinsamen Pressekonferenz des Kanzlers mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner.

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