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  • Israelische Geheimdiensteinheit

Wie aus Reportern Terroristen werden

Israels Armee betreibt laut Bericht Propaganda-Abteilung gegen palästinensische Journalisten

Der Lügen-Vorwurf trifft auf jeden Fall auch für Israels Militär und das Amt des Ministerpräsidenten zu.
Der Lügen-Vorwurf trifft auf jeden Fall auch für Israels Militär und das Amt des Ministerpräsidenten zu.

Vor einer Woche starb der in der arabischen Welt bekannte Al-Jazeera-Reporter Anas Al-Sharif durch einem gezielten israelischen Luftangriff vor einem Krankenhaus in Gaza. In einer für diesen Fall vorbereiteten Erklärung hatte er zuvor erklärt, eine gezielte Kampagne der Armee gegen ihn sei Vorstufe zu seiner Ermordung gewesen. Nun liegen Erkenntnisse darüber vor, wie derartige Tötungen tatsächlich propagandistisch vorbereitet oder im Nachhinein gerechtfertigt werden.

Wie das von Israelis und Palästinenser*innen gemachte Magazin »+972« berichtet, hat die israelische Armee nach dem 7. Oktober 2023 eine neue geheime Einheit mit dem Namen »Legitimization Cell« (auf deutsch etwa: Rechtfertigungszelle) gegründet. Aufgabe dieser Abteilung ist laut der Recherche nicht – wie offiziell behauptet – die Sicherheit Israels.

Die Informationen zu der »Legitimization Cell« stammen von drei Geheimdienstquellen, für »#972« ausgewertet hat sie der preisgekrönte israelische Regisseur und Journalist Yuval Abraham. Ihre Funktion besteht laut Abraham darin, Material für die internationale Öffentlichkeitsarbeit zu beschaffen: Gesucht wird alles, was Israels militärisches Vorgehen rechtfertigen könnte – von Berichten über angebliche Waffenlager in Schulen über fehlgeleitete Hamas-Raketen, die dann angeblich in Gaza niedergehen.

»Wenn die internationale Presse über die Tötung unschuldiger Journalisten berichtet, beginnt die Suche nach einem, der vielleicht nicht so unschuldig ist.«

Isrealische Geheimdienstquelle

Vor allem aber soll die Einheit Beweise liefern, mit denen sich palästinensische Journalist*innen als Mitglieder der auch in der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuften Hamas darstellen lassen. Ein Geheimdienstoffizier schildert gegenüber Abraham das Muster: Sobald in den Medien weltweit Kritik an getöteten Medienschaffenden laut wurde, erhielt die »Legitimization Cell« den Auftrag, Informationen bereitzustellen, die Zweifel an deren Unschuld säten. »Wenn die internationale Presse über Israels Tötung unschuldiger Journalisten berichtet, beginnt sofort die Suche nach einem, der vielleicht nicht so unschuldig ist«, so die Quelle.

Das israelische Militär hat laut Abraham gezielt Geheimdienstinformationen freigegeben, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Auch Mitarbeiter*innen außerhalb der »Legitimization Cell« sollten Material sammeln, das Israel im Informationskrieg helfen könnte.

Nach der Veröffentlichung von Abrahams Recherche hätten nicht näher genannte Quellen bestätigt, dass in den letzten zwei Jahren verschiedene »Forschungsteams« im israelischen Militärgeheimdienst gegründet wurden, um Journalist*innen als Hamas-Mitglieder zu diskreditieren.

Mehrfach räumten geheimdienstliche Quellen gegenüber dem »+972 Magazin« ein, dass Informationen bewusst verzerrt oder falsch dargestellt wurden. Einem Journalisten sei etwa vorgeworfen worden, tagsüber Reporter, nachts Kommandeur zu sein. Das habe sich später als falsch herausgestellt.

Im Fall des Reporters Ismail Al-Ghoul, der im Juli 2024 getötet wurde, präsentierte die Armee ein Dokument, das ihn angeblich schon 2007 zum Hamas-Militär machte – zu dem Zeitpunkt war er aber erst zehn Jahre alt. Auch bei Al-Sharif veröffentlichte Israels Armee Unterlagen, die ihn als Hamas-Mitglied von 2013 bis 2017 zeigen sollten. Selbst wenn diese echt wären, hätten sie mit seiner aktuellen Berichterstattung aber nichts zu tun.

Die Arbeit der »Legitimization Cell« soll von Beginn an politisch motiviert gewesen sein. Anweisungen, auf welche Themen sich die Einheit konzentrieren sollte, seien auch aus der politischen Führung gekommen.

Propaganda dieser Art erhält auch in Deutschland Resonanz – in Medien wie der »Taz« oder der »Süddeutschen Zeitung«, besonders aber in der »Bild«. Seit dem 7. Oktober 2023 tritt das Springer-Medium aggressiv gegen Palästinenser*innen auf, bezeichnet Proteste gegen den Gaza-Krieg pauschal als »judenfeindlich« und nannte auch den getöteten al-Sharif einen »Terroristen«. Für die Anbahnung derartiger Propaganda gibt es Recherchen zufolge seit 2011 im israelischen Premierministeramt eine eigene Abteilung, die nur für enge Kontakte mit dem Springer-Konzern zuständig ist.

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