Runter von der Autobahn

Heisse Zeiten - Die Klimakolumne: Klimaschutz braucht nicht mehr Autobahnen oder Tankrabatte, sondern eine echte Mobilitätswende

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Zahl der Autos hierzulande steigt stetig und sie werden immer größer und schwerer - trotz hoher Spritpreise und Klimakrise. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gibt sich als Schutzpatron der Autolobby. Dabei ist es höchste Zeit für eine Mobilitätswende. Die Stellschrauben im Verkehrssektor sind weithin bekannt, aber von einem Wandel kann im Bereich der Mobilität bei diesem Verkehrsminister bislang nicht die Rede sein.

Dabei steht doch fest: Der Ukraine-Krieg und seine Landzeitfolgen zwingen uns zu einem grundsätzlichen Umdenken. Das betrifft die Umstellung auf erneuerbare Energien, das Energiesparen, aber eben auch die Mobilitätswende, deren Rückgrat der öffentliche Verkehr im Allgemeinen und der ÖPNV im Speziellen ist. Doch statt nun ernsthaft die Wende anzugehen, wollen Teile der Bundesregierung vor allem den Status Quo zementieren. Dazu zählt, dass ein Großteil der im Verkehrsbereich zur Verfügung stehenden Milliarden für die Förderung und Subventionierung des Autos ausgegeben wird: für Anschaffung und Unterhalt und für die Finanzierung der benötigten Infrastruktur. Es wird dabei munter in neue Autobahnen investiert und entstehende Kosten, beispielsweise für öffentliche Parkplätze, werden von der Allgemeinheit geschultert statt von Autobesitzenden.

Olaf Bandt
Olaf Bandt ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Der Tankrabatt und die Blockade des Tempolimits passen da ins Bild. Diese Politik ist umweltpolitisch falsch und sozial ungerecht. Denn die geplanten staatlichen Unterstützungen kommen Menschen mit Autos und höherem Einkommen mehr zugute als denen mit kleinen oder mittleren Einkommen. Mit dem Tankrabatt wiederholt die Bundesregierung also den Fehler der Pendlerpauschale und verschärft die soziale Ungleichheit im Land. Ja, es scheint, als ob nicht einmal der Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene Diskussion über die Abhängigkeit von Energieimporten, als Argument stark genug sind, die autozentrierte Politik zu überdenken. Und das, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung bereit für Veränderung ist.

Dass die Antwort auf hohe Spritpreise nun ist, mit Steuergeld die Gewinne der Mineralölkonzerne zu steigern, ist absurd und in Zeiten der Klimakrise unbegreiflich. Die Bundesregierung sollte stattdessen das System ÖPNV massiv ausbauen und als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge anerkennen. Nur so können der überbordende Autoverkehr in den Städten reduziert, die Wohn- und Lebensqualität verbessert werden; nur so können im ländlichen Raum attraktive, bezahlbare und für alle zugängliche, barrierefreie öffentliche Angebote geschaffen werden. Nur so wird der Klimakrise im Verkehrsbereich Rechnung getragen.

Der öffentliche Personennah- und Fernverkehr braucht bessere Infrastrukturen, regelmäßige Takte und bedarfsorientierte Angebote. Mobilitätsangebote wie neue Arten von Fahrgemeinschaften oder automatisiert fahrenden Fahrzeugen müssen sinnvoll integriert werden. Im ländlichen Raum braucht es schlicht die Möglichkeit, ohne eigenes Auto mobil zu sein. Hierzu ist eine umfassende und deutlich bessere Finanzierung unumgänglich. So müssen neue emissions- und barrierefreie Fahrzeuge angeschafft werden. Das Geld dafür könnte unter anderem aus dem Abbau klimaschädlicher Subventionen kommen. Zusätzlich müssen Steuern umgestaltet und vorhandene Mittel zukünftig unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten verteilt werden. Alle dies ist notwendig, um ein gutes Angebot zu schaffen.

Pläne wie der aktuelle Bundesverkehrswegeplan, der allein rund 850 Kilometer zusätzliche Autobahnen vorsieht, sind schon lange nicht mehr zeitgemäß. Wir fordern deshalb einen Baustopp und eine komplette Neubewertung aller Projekte, bei der die Belange des Natur- und Klimaschutzes ausreichend berücksichtig werden. Gelder aus dem Fernstraßenneubau können umgewidmet werden und einer echten Mobilitätswende zur Verfügung gestellt werden. Weg von immer mehr Straßenverkehr, mit immer weiteren Strecken, weg von immer neuen Straßen und immer mehr Warentransport. Verkehrsvermeidung und eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene müssen zur Grundlage politischen Handelns werden. Jetzt ist die Zeit zu handeln und die Investitionspolitik auf neue, nachhaltigere Füße zu stellen. Das wäre eine Verkehrspolitik, die im Einklang mit den Klimazielen steht.

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