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Der unterschätzte Erfolgsfaktor von Eintracht Frankfurt
Wie Trainer Oliver Glasner nach anfänglichen Problemen den europäischen Siegeszug startete
Auf dem Trainingsplatz trägt Oliver Glasner dieser Tage meist eine anthrazitfarbene kurze Hose und ein T-Shirt, um den Hals baumelt die Trillerpfeife. Es kommt der Moment, in dem beim Trainer von Eintracht Frankfurt der Spieler vom SV Ried durchkommt – als er den Ball von der Strafraumkante mit einem krachenden Schuss an den Innenpfosten jagt. Knapp das Ziel verfehlt. Einige seiner Profis lachen, der Coach greift sich an den Kopf. Und sammelt die Stangen und Bälle ein, die auf dem Trainingsplatz vor der Frankfurter Arena verstreut sind. Es herrscht prächtiges Wetter – und eine prima Laune.
Die Protagonisten von Eintracht Frankfurt nehmen zum Finale der Europa League gegen die Glasgow Rangers laut Glasner eine »riesige Vorfreude« mit nach Sevilla. Das liegt sicherlich auch daran, dass an diesem Mittwochabend 50 000 Frankfurter Fans in der andalusischen Stadt erwartet werden, die zusammen mit den 70 000 angekündigten Schotten eine einzigartige Europapokalatmosphäre entfachen werden. Als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Traumreise durch Europa gilt Glasner, ein vielleicht immer noch unterschätzter Fußballlehrer.
Wenn eine Mannschaft in zwölf Europapokalspielen, gegen Fenerbahce Istanbul, Olimpiakos Piräus und Royal Antwerpen in der Gruppe, dann gegen Betis Sevilla, FC Barcelona und West Ham United in der K.o.-Phase ungeschlagen bleibt, dann hat ihr Trainer daran seinen Anteil. Der 47-Jährige sagt: »Wir stehen völlig verdient im Finale.« Die Eintracht hat mit einer klaren Struktur und doch enormer Flexibilität gepunktet – Glasners Meisterleistung war der 3:2-Coup im Camp Nou beim FC Barcelona, als er seinen prominenten Kollegen Xavi Hernandez überrumpelte. Doch so gut lief es nicht immer – und am Anfang schon mal gar nicht.
Der beim VfL Wolfsburg trotz des Einzugs in die Champions League nicht wirklich glücklich gewordene Coach fremdelte als Nachfolger seines österreichischen Landsmannes Adi Hütter zunächst auch in der Mainmetropole mächtig. »Ich musste erst mal kennenlernen, wie alles tickt. Das war nicht einfach.« Dem blamablen Pokalaus bei Waldhof Mannheim folgten blasse Spiele in der Bundesliga. Nur gut, dass der neue Trainer die volle Rückendeckung des ebenfalls neu gekommenen Managers Markus Krösche hatte. Zu diesem Zeitpunkt war ein Europapokalendspiel eine Fata Morgana. Glasner sagt es so: »Wenn ich am Anfang der Saison, als alles so turbulent war, dieses Finale als Ziel ausgegeben hätte, dann hätte die Mannschaft doch gesagt: ›Wovon redet der jetzt?‹«
Dass sich das Team trotz der Rückschläge über die Europa League aufraffte, war auch dem Zusammenhalt seines multikulturellen Kaders zu verdanken. Glasners Umgang – emotional, ehrgeizig, aber auch empathisch – schätzen Führungsspieler wie Torwart Kevin Trapp: »Wir haben keine Mannschaft wie Bayern München. Wir haben aber 16, 17 Nationalitäten, die sich alle integrieren und gegenseitig helfen wollen.« Diesem Ensemble hilft ein klarer Kompass, der von Glasner vorgegeben wird. Wer bei ihm nicht mitzieht, hat es schwer.
Der Cheftrainer setzt in seinem direkten Umfeld seit Jahren auf dieselben Anker: seine Landsleute Michael Angerschmid als Co-Trainer und Roland Brunmayr als Berater. Doch anders als in Wolfsburg, wo sich die »Ösi«-Fraktion mitunter abkapselte, tauchen sie in Frankfurt immer öfter ins pralle Leben ein. Glasner hat die Heimspiele des künftigen Eishockey-Erstligisten Frankfurter Löwen besucht; er geht mitunter zur Kleinmarkthalle, wo sich die Menschen nicht nur an Samstagen auf einen Schoppen treffen. Kürzlich setzte sich der in Sachsenhausen wohnende Coach wieder mal in eine Apfelweinwirtschaft. Der Wirt platzierte ihn an einen fremden Tisch. »Da waren sechs Leute, die an der Börse arbeiten – und plötzlich war ich mittendrin. Da erst habe er wieder gemerkt: Jeder ist irgendwie Eintracht-Fan. Gefühlt ganz Deutschland drückt uns die Daumen.«
Auf diese Art rennt der gebürtige Salzburger offene Türen in Frankfurt ein, wo jeder Zugereiste schnell Anschluss findet – wenn er seinen Mitmenschen mit einem freundlichen Lächeln begegnet. Friedhelm Funkel und Armin Veh waren auch so volksnahe Kumpeltypen und nicht umsonst bei der Eintracht recht lange als Trainer tätig. Glasner kann sie in der Beliebtheit locker übertrumpfen, wenn er den Cup aus Sevilla mitbringt. Der dreifache Familienvater – seine Kinder Niklas, Julian und Alina kamen nach dem Halbfinale gegen West Ham sogar mit auf den Rasen – wäre der erste Österreicher nach dem großen Ernst Happel, der in einem Europapokalendspiel als Trainer reüssieren würde. Die vor 30 Jahren verstorbene Legende steuerte 1970 erst Feyenoord Rotterdam und dann 1983 den Hamburger SV zum Gewinn des Landesmeisterpokals. Sich hinter Happel einzureihen, sagt er, sei »nice to have, aber das ändert mein Leben nicht wirklich«.
An diesem Punkt könnte er sich täuschen: Verein, Stadt und Fans in Frankfurt bedeutet das Finale so viel, dass sich Oliver Glasner lebenslanger Wertschätzung erfreuen würde, sollte ihm an diesem Mittwoch die Krönung gelingen. Seine Spieler im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán müssen nur einen Hauch besser aufs Tor zielen als ihr Coach auf Trainingsplatz 4.
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