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  • Fußball-EM der Frauen

Deutschlands Viertelfinalgegner Frankreich verzückt die Fans

Die Französinnen überzeugen mit spielerischer Leichtigkeit und körperlicher Robustheit

  • Frank Hellmann, Basel
  • Lesedauer: 4 Min.
Marie-Antoinette Katoto traf für die offensivstarken Französinnen zum zwischenzeitlichen Ausgleich gegen die Niederländerinnen.
Marie-Antoinette Katoto traf für die offensivstarken Französinnen zum zwischenzeitlichen Ausgleich gegen die Niederländerinnen.

Es ist nicht so, dass Trikots mit Schriftzügen von Katoto oder Cascarino in der Schweiz gerade allgegenwärtig sind, wenn die französischen Fußballerinnen in Zürich, St. Gallen oder Basel spielen. Jungs wie Mädchen tragen oft ein Jersey mit dem Schriftzug von Mbappé, um ihre Verbundenheit zu bezeugen. Doch wer bei dieser EM zu Frankreich hält – und das tun auch viele Schweizer aus dem französischsprachigen Landesteil – wird bei dieser EM von den Frauen bestens unterhalten. Am Sonntagabend sind viele französische Fans mit einem Lächeln aus dem St. Jakob-Park auf den direkt ans Stadion mündenden Bahnsteig gekommen, um nach dem 5:2-Spektakel gegen die Niederlande mit den meist pünktlichen Zügen wieder den Heimweg anzutreten.

Offensives Feuerwerk

Eindrucksvoller hätte Frankreichs Ausrufezeichen vor dem Viertelfinale gegen Deutschland am Sonnabend an selber Stelle kaum ausfallen können. Hatte dieser Fußballabend im »Joggeli« nicht unendlich viel Spaß gemacht? Die diesmal ganz in Weiß gekleideten »Les Bleues« hatten Bundestrainer Christian Wück unter den 34 133 Augenzeugen ihr komplettes Repertoire an Stärken und Schwächen vorgeführt. In der ersten Halbzeit hatte es nicht immer souverän gewirkt, ein bisschen zu viel »Laissez-faire« in der Defensive. Dafür aber zündete die Offensive im zweiten Durchgang ein Feuerwerk. Dieses Ensemble verbindet spielerische Leichtigkeit mit körperlicher Robustheit – und hat mal eben die Titelverteidigerinnen aus England und die Europameisterinnen von 2017 aus den Niederlanden verdient besiegt. Ästhetik und Athletik sind in der Kombination bei der EM ein französisches Alleinstellungmerkmal. Ein Halbfinale gegen die Weltmeisterinnen aus Spanien wäre wohl das vorweggenommene Endspiel.

Doch erst mal geht es ums Viertelfinale – und den Fakt, bei großen Turnieren nie gegen den achtfachen Europameister gewonnen zu haben. »Deutschland ist eine große Fußballnation. Das ist eine große Herausforderung, aber wir sind ehrgeizig und werden alles geben, um sie zu schlagen«, kündigte Nationaltrainer Laurent Bonadei an. Versprechungen wurden in der Vergangenheit jedoch schon viele gemacht, doch bei allem Talent hat es noch nie zu einem Finale bei einem großen Turnier gereicht.

Befreiende Wirkung

Deshalb hat Bonadei alte Zöpfe abgeschnitten und Ikonen wie Wendie Renard oder Eugénie Le Sommer nicht mehr berufen. Seitdem wirkt das Ensemble befreit – was auch daran liegt, dass es unter dem 55-Jährigen keinerlei Vorgaben für die Angreiferinnen gibt. Warum schablonenartige Spielzüge entwerfen, wenn sich kreative Begabung so wunderbar entfaltet.

Delphine Cascarino beispielsweise kann alles: feine Dribblings, enorme Beschleunigung, flotte Kombinationen. Gegen den eine Halbzeit lang wehrhaften Gegner sorgte sie nach dem 1:2 zur Pause in Windeseile für die Wende: Erst bediente sie Marie-Antoinette Katoto, die den Ausgleich erzielte, danach traf sie selbst doppelt.

Respekt vor DFB-Team

Cascarino von rechts suchte genau wie Sandy Baltimore von links immer wieder die technisch und körperlich starke Katoto. Die 26-Jährige selbst offenbarte viel Respekt vor der DFB-Elf: »Sie haben schon viele Titel gewonnen. Bei der letzten EM haben sie uns ausgeschaltet.« Was eine der komplettesten Torjägerinnen der Welt dabei verschwieg: Sie hatte sich bei der EM 2022 im zweiten Gruppenspiel das Kreuzband gerissen, fehlte bei der Niederlage gegen Deutschland im Halbfinale und verpasste deshalb auch die WM 2023, wo ihr Team tränenreich im Elfmeterschießen an Australien ebenso im Viertelfinale scheiterte wie beim Elferdrama der WM 2015 gegen das DFB-Team – obwohl die fußballerische Überlegenheit frappierend wirkte.

Dass es auch bei der Heim-WM 2019 im Viertelfinale gegen die USA schiefging, lag vor allem an der schlechten Stimmung um die unbeliebte Trainerin Corinne Diacre. Interne Streitigkeiten ziehen sich wie ein roter Faden durch Frankreichs Fußballgeschichte, bei Frauen und Männern.

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