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Privilegien auf dem Prüfstand

Altkanzler Schröder soll vom Steuerzahler finanzierte Sonderrechte teilweise verlieren

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Gerhard Schröders eifrigste PR-Managerin ist eine Person, die dafür keinen Cent sieht. So-yeon Schröder-Kim, fünfte Ehefrau des Altkanzlers, informiert via Instagram regelmäßig darüber, was der 78-Jährige privat wie politisch tut – zumindest über alles, was die Öffentlichkeit sehen soll. Oft geht es um Banales. Ein Beitrag zeigt, wie Familie Schröder-Kim ganz im Stil der Arbeiterklasse am Berliner Kurfürstendamm Currywurst und Bier diniert. Jedoch dokumentiert der Kanal genauso Momente, die Schröder in der Pose des Staatsmannes a.D. zeigen. Als der frühere SPD-Chef im März zu einem umstrittenen Besuch nach Moskau aufbricht, um Russlands Präsident Wladimir Putin nach dessen Einmarschbefehl in die Ukraine ins Gewissen zu reden, hält Schröder-Kim auch diesen Moment ikonisch fest.

Schröders anscheinend unzerstörbare Nibelungentreue zum Kreml und die Freundschaft zu dessen Hausherren waren der Auslöser dafür, dass sich die Ampel-Koalition einer alten Streitfrage annimmt: Wie viele staatlich finanzierte Privilegien sollen ehemaligen Kanzler*innen und Bundespräsident*innen zugestanden werden?

SPD, Grüne und FDP geben sich Mühe, ihre Initiative nicht wie eine »Lex Schröder« aussehen zu lassen, auch wenn die Debatte über den Altkanzler zweifellos der Anlass ist, gerade jetzt aktiv zu werden. Am Donnerstag wollen die Koalitionäre laut Medienberichten dem Haushaltsausschuss des Bundestages einen Antrag vorlegen, um Schröder einige seiner bisherigen Sonderrechte als Kanzler a.D. zu streichen. Wegfallen sollen sein Büro im Bundestag und die dafür vorgesehenen Stellen. In der offiziellen Sprachreglung heißt es, das Büro werde »ruhend gestellt«.

Die Formulierung ist wichtig. Sie bedeutet, dass Schröder seine Privilegien zurückerhalten kann, sollte er eines Tages wieder Aufgaben wahrnehmen, die mit seiner frühereren Kanzlerschaft zu tun haben. Gemeint ist damit etwa die Übernahme von Schirmherrschaften oder offizielle diplomatische Reisen. Genau dies sei bei Schröder momentan nicht der Fall.

Zentral in dem Ampel-Antrag ist der Passus, wonach die Amtsausstattung früherer Kanzler*innen künftig »nach den fortwirkenden Verpflichtungen aus dem Amt erfolgt und nicht statusbezogen«. Das heißt: Die Neuregelung betrifft nicht nur Schröder, sondern ebenso Angela Merkel und alle künftigen Ex-Regierungschef*innen. Verliert die 67-Jährige irgendwann ihr Interesse an repräsentativen Aufgaben als Kanzlerin a.D., stünden ihre Privilegien genauso zur Disposition.

Unangetastet bleiben laut der geplanten Neuregelung Ruhegehalt und Personenschutz. Mit Blick auf Schröder fordern CDU und CSU in einem eigenen Antrag, dem Altkanzler auch diese Leistungen zu streichen. Der Ampel-Koalition ist dies aber zu heikel. Beim Gehalt gehe es um Eigentumsansprüche, erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, am Mittwoch in Berlin. Deswegen wäre deren Entzug verfassungsrechtlich »höchst bedenklich«, so Mast.

Unabhängig von der Causa Schröder sorgt die Ausstattung früherer Kanzler*innen und Ex-Bundespräsident*innen seit Jahren für Debatten. Das Problem: Einheitliche Regeln gibt es kaum, FDP-Fraktionschef Christian Dürr nennt es eine »Staatspraxis«, die überprüft gehört. Der Bundesrechnungshof kritisierte bereits 2018, dass der Gesetzgeber Bundeskanzler*innen a.D. bisher weder offizielle Aufgaben noch Kompetenzen überträgt: »Die Gründe für die Ausstattung von Bundeskanzlern a. D. mit Büros und Personal scheinen im Lauf der Zeit in Vergessenheit geraten zu sein.« Ursprünglich war die Ausstattung für die »Abwicklung fortwirkender Verpflichtungen« gedacht, wobei mit einem wachsenden zeitlichen Abstand zum Amtsende auch die bereitgestellten Mittel zurückgefahren werden sollten.

Dass dem nicht so ist, zeigt das Beispiel Schröder: Allein die Personalkosten für sein Büro betrugen 2021 mehr als 418 000 Euro. Um die Wahrnehmung von Staatsaufgaben geht es nicht immer: So wusste der Bundesrechnungshof über einen Präsidenten a.D. zu berichten, der sich vom Bundeskriminalamt, dessen Aufgabe im Personenschutz besteht, Sportgeräte transportieren ließ. Und der Fahrdienst wird schon auch mal dazu genutzt, um bei einer privaten Geburtstagsfeier vorbeizuschauen.

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