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In Palermo endet die Ära Orlando

Bei Kommunalwahlen in Italien verliert die Lega zahlreiche Wähler

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Wahlsieger und neue Bürgermeister in Palermo wird aller Wahrscheinlichkeit nach Roberto Lagalla heißen. Der Kandidat des Mitte-rechts-Bündnisses aus Lega, Fratelli d’Italia (FdI) und Forza Italia (FI) setzte sich mit etwa 45 Prozent der Stimmen gegen seine Mitbewerber aus dem Mitte-links-Bündnis durch. Nach den auf Sizilien geltenden Wahlgesetzen kann sich der Kandidat zum Sieger erklären, der die Quote von 40 Prozent übersprungen hat. Eine Stichwahl – wie andernorts vonnöten – ist hier nicht erforderlich. Mit der Wahl Lagallas, des ehemaligen Rektors der Universität Palermo, endet die Ära Leoluca Orlandos. Der Politiker der Demokratischen Partei (PD) hatte das Amt des Bürgermeisters in fünf Wahlperioden ausgeübt und war jahrzehntelang nicht nur das politische Gesicht Palermos, sondern auch Aktivist im Kampf gegen die Mafia.

Das dürfte sich nun ändern: Roberto Lagallas Wahlkampf spielte sich unter dem Schatten der Cosa Nostra ab; seine Förderer – der Ex-Regionalpräsident Siziliens Salvatore »Toto« Cuffaro und der Berlusconi-Vertraute Marcello Dell’Utri – waren beide rechtskräftig wegen Mafia-Verbindungen verurteilt. Lagalla selbst blieb demonstrativ den Gedenkveranstaltungen zum 30. Jahrestag des Attentats auf Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone fern. Und trotz heftiger Proteste distanzierte er sich nicht von der Verwandtschaft seiner Ehefrau Maria Paola Ferro, Nichte des Mafia-Bosses von Agrigento Antonio Ferro.

Mitte-links siegt in Verona

Lagallas Wahlkampfgegner, der Mitte-links-Kandidat Franco Micelli konnte sich mit knapp 30 Prozent der Stimmen ebenso wenig durchsetzen wie der vom Bündnis »Azione-+Europa« aufgestellte Fabrizio Ferrandelli (18 Prozent). Einerseits ermöglichte die Uneinigkeit des Mitte-links-Spektrums den rechten Wahlsieg, andererseits sei es das »unakzeptable Wahlgesetz Siziliens«, das es ermögliche, einen Kandidaten bereits mit 40 Prozent der Wählerstimmen durchzubringen, sagte der für die Lokalpolitik zuständige PD-Vertreter Francesco Boccia. »In jeder anderen Region würde ein solcher Wahlausgang zur notwendigen Stichwahl führen, dann hätten die Mitte-links-Kräfte noch eine Chance, sich durchzusetzen.«

Anders als in Palermo setzte sich in Verona überraschend der Kandidat des Mitte-links-Bündnisses durch: Damiano Tommasi profitierte vom Streit zwischen der Lega und den postfaschistischen FdI. Zwar demonstrierten die beiden Parteichefs Matteo Salvini und Giorgia Meloni noch kurz vor dem Wahltag Einigkeit, doch der scharfe Konkurrenzkampf beider Politiker um die Spitze im rechten Lager sah Mitte-links vorerst als lachenden Dritten. Weder der scheidende Bürgermeister Federico Sboarina (FdI) noch dessen Vorgänger von der Lega, Flavio Tosi, konnten nennenswerte Ergebnisse erzielen.

Salvini verliert an Boden

Dass sich die Lega-Kandidaten bei den diesjährigen Kommunalwahlen nicht durchsetzen können, ist vor allem auch ein herber Schlag gegen Parteichef Salvini. Der vor wenigen Jahren noch als kommende führende Kraft gehandelte Lega-Chef scheint sich politisch auf einem absteigenden Ast zu befinden.

Nicht nur seine enge Freundschaft zu Kreml-Chef Wladimir Putin bringt ihm reichlich Antipathie ein, auch die von rechts kommende starke Konkurrenz der FdI gräbt den traditionell starken Rechtsparteien wie Lega und Forza Italia das Wasser ab. Selbst in den eigenen Reihen – so beim Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Giancarlo Giorgetti, oder bei den Gouverneuren von Veneto und Friaul/Julisch-Venetien, Luca Zaia und Massimiliano Fedriga – stößt Salvini zunehmend auf heftige Kritik.

Das Scheitern des Referendums zur Justizreform dürfte zusätzlich Wasser auf die Mühlen der Salvini-Gegner sein. Mit dem Referendum sollte unter anderem ein Gesetz abgeschafft werden, nach dem wegen krimineller Vergehen Verurteilte sich sechs Jahre nach Strafverbüßung keiner politischen Kandidatur stellen dürfen. Das Referendum endete in einem Debakel, lediglich 14,8 Prozent der Wahlberechtigten stimmten überhaupt ab – das Mindestquorum von 50 Prozent lag am Abend des Wahlsonntags in weiter Ferne.

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