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Michael Ballweg: Der Querdenker
Landgericht Stuttgart spricht Michael Ballweg vom Betrugsvorwurf frei
Den Klimawandel? Gibt’s nicht, bei so einem verregneten Juli. Die Tagesschau? Verblödungsfernsehen! Und die AfD? Kommt 2026 garantiert an die Macht.
Während Hunderte am Donnerstagmittag in Livestreams sogenannter alternativer Medien darauf warten, dass Querdenken-Gründer Michael Ballweg vor die Kameras tritt, zeigt sich in den Kommentarspalten, was diese Bewegung prägt. Um die Wartezeit zu füllen, laufen Videos über die Gefahren von Windkraftanlagen und moderner Medizin.
Das Urteil steht seit dem Vormittag fest: Das Landgericht Stuttgart sprach Ballweg vom Vorwurf frei, sich an Spendengeldern bereichert zu haben. Lediglich wegen Steuerhinterziehung wurde er verurteilt – unter anderem eine Hundematte hatte er als geschäftliche Ausgabe deklariert, obwohl sie laut Gericht nur privat genutzt wurde.
Ballweg musste sich seit Herbst 2024 vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft sah in ihm einen gewieften Geschäftsmann, der sich an den Querdenken-Protesten bereichern wollte und mehr als eine halbe Million Euro an Spendengelder für private Zwecke verwendet habe. Von über einer Million Euro sind laut Akten nur Ausgaben für Querdenken in Höhe von rund 843 000 belegt. Allerdings, so die Begründung des Gerichts, fehlte es an einer lückenlosen Buchhaltung – und das könne man dem Angeklagten nicht zur Last legen.
Der 50-jährige Ballweg trägt an diesem Tag ein T-Shirt mit der Aufschrift: »Einmal Rebell, immer Rebell«. Das Urteil macht ihn in den Augen seiner Anhänger nur noch mehr zu einem Märtyrer, der für seinen Freiheitskampf die volle Macht der regierungsgesteuerten Justiz zu spüren bekommen hätte – schließlich saß Ballweg wegen der laufenden Ermittlungen seit Juni 2022 mehrere Monate in Untersuchungshaft. Und tatsächlich: angesichts der mageren Beweislage erscheint eine Inhaftierung überzogen.
Doch es war eben diese Justiz, die Ballweg nun freisprach. Ein Widerspruch, der schon die Corona-Proteste prägte: Demonstrierende klagten über massive Einschränkungen ihrer Grundrechte – während sie genau diese Rechte nutzten.
Der IT-Unternehmer Ballweg wurde zu einer zentralen Figur dieser Proteste. Während er sich Anfang 2020 selbst noch für Schutzmaßnahmen aussprach, startete er im Frühjahr in Stuttgart Demonstrationen mit der Selbstbezeichnung »Querdenken«. Rasch entwickelte sich daraus eine bundesweite Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen. Die Proteste zogen jede Menge »Schwurbler« an – für viele wohl das Wort, das die Querdenken-Bewegung am treffendsten beschreibt. Allerdings unterschlägt die Bezeichnung, dass sich eben auch viele Rechtsextreme den Protesten anschlossen. Von ihnen distanzierte sich Ballweg nie glaubwürdig, im Gegenteil, er traf sich sogar mit Reichsbürgern wie Peter Fitzek, dem selbsternannten König von Deutschland. Doch dafür stand Ballweg nicht seit Herbst vor Gericht.
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