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Zeitenwende in Kolumbien

Martin Ling über den historischen Wahlsieg von Gustavo Petro

Kolumbiens künftiger Präsident Gustavo Petro hat recht: »Es ist ein zweifellos historischer Tag.« Der Sieg des dezidiert linken Gustavo Petro ist in Kolumbien historisch, weil das Land strukturell konservativ ist und noch nie einen explizit linken Präsidenten hatte. Es war das einzige südamerikanische Land, an dem die linke Welle auf dem Subkontinent zu Beginn des Jahrhunderts vorbeiging. Und es war das einzige Land in Südamerika, in dem die Elite in den 60er, 70er und 80er Jahren nicht auf eine Militärdiktatur zurückgreifen musste, um die gewünschten hochprofitablen Verwertungsbedingungen durchzusetzen.

Die Rechte und die gewalttätige Rechte haben in Kolumbien das politische Leben immer kontrolliert. Politische Gegner wurden lange Zeit bei absoluter Straflosigkeit eliminiert. Soziale Aktivisten und Gewerkschafter werden auch sechs Jahre nach dem Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla zu Dutzenden im Jahr ermordet.

Gustavo Petro tritt ein schweres Erbe an, es gibt viel anzupacken – und es wird viele Widerstände geben. Er will das Land befrieden, die rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen beenden und Unternehmen stärker besteuern, um Mittel für Sozialpolitik zu generieren. Das ist ein progressiv sozialdemokratisches Programm. Wird es umgesetzt, wäre es für Kolumbien eine Zeitenwende – ein radikaler Wandel.

Petro kommt an die Regierung, nicht an die Macht. Die liegt weiter in den Händen des Großkapitals und der traditionellen Oligarchie. Diese Macht zu brechen, wird Petro nur mit tatkräftiger Unterstützung der starken sozialen Bewegungen gelingen können. Mit dem Wahlsieg wurde dafür die Voraussetzung geschaffen. Und das ist mehr, als man sich vor Kurzem für Kolumbien erträumt hatte. Es ist historisch.

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