Angriff der Klimaanlagen

In New York stöhnt man seit Jahrzehnten unter extremer Sommerhitze

  • Isabella Caldart
  • Lesedauer: 2 Min.
Prähistorisch wirken die Klimaanlagen in New York, so hier an einem Haus im Stadtteil Brooklyn, wo die Sommermonate schon seit Jahren unerträglich heiß sind.
Prähistorisch wirken die Klimaanlagen in New York, so hier an einem Haus im Stadtteil Brooklyn, wo die Sommermonate schon seit Jahren unerträglich heiß sind.

Denkt man an das New Yorker Stadtbild, fallen einem ein: Wolkenkratzer aus Stahl und Glas, pittoreske Brownstones, vielleicht die klassischen Feuertreppen, die viele Gebäude schmücken, und natürlich gelbe Taxis. Es gibt aber noch etwas anderes, das die Straßen der Stadt prägt: viereckige weißgraue Kästen, auf denen oft in Majuskeln der Name der Marke Friedrich prangt. Diese prähistorisch anmutenden Kästen, die auf Englisch AC Units heißen, sind kleine Klimaanlagen, die zumeist in den Fenstern der Wohn- und Schlafzimmer New Yorks verankert sind. Einige wenige davon sind hinter einem Gitter gesichert, andere werden von kleinen Stützträgern gehalten, viele aber recken sich ohne weitere Schutzvorrichtung über den Gehweg.

Auf gewisse Weise sind diese Friedrichs – übrigens eine texanische, keine deutsche Firma, die 1883 gegründet wurde – nivellierend. Sie finden sich nämlich genauso in den traditionell reichen Nachbarschaften der Upper East Side oder im Greenwich Village wie auch in den seit einigen Jahren stark gentrifizierten Vierteln wie East Village oder Williamsburg und in den Gegenden, in denen Menschen mit bescheidenerem Einkommen leben, wie Washington Heights oder Cypress Hills. Vor allem aber sind die AC Units, ähnlich wie die Bettwanzenplage, sehr typisch für New York City. Die Stadt gehört zu den ältesten Metropolen der USA; rund 75 Prozent der Gebäude wurden vor 1960 errichtet, während zentrale Klimaanlagen erst in den 60er Jahren populär wurden. Entsprechend müssen New Yorker*innen auf die Kästen zurückgreifen, um die unerträglich heißen Sommer zu überstehen.

Bei den schlecht gesicherten, um die 40 Kilogramm schweren AC Units ist eine Angst selbstredend besonders groß: Sie könnten herunterfallen und jemanden erschlagen. Seit 1988 ist zwar kein durch eine Klimaanalage verursachter Todesfall dokumentiert, es gibt aber jedes Jahr ein, zwei Artikel über Bürger*innen, die davon verletzt wurden. Trotzdem ist diese Wahrscheinlichkeit, betrachtet man sie in Relation zur Einwohnerzahl, die in New York City bei mehr als acht Millionen liegt, statistisch gesehen sehr gering.

Und so bleiben von den AC Units hauptsächlich zwei Sachen: Zum einen wird das Straßenbild der Stadt von den zahlreichen Friedrichs maßgeblich geprägt. Und während sich US-Amerikaner*innen, die Deutschland besuchen, über die fehlenden Klimaanlagen hierzulande beschweren, kommt man in New York in einen ganz anderen unangenehmen Genuss: Tropfen, die sich in AC Units sammeln und einem dann heimtückisch auf den Scheitel oder in den Nacken fallen. Aber auch das dient der Abkühlung – irgendwie zumindest.

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