Ruinös wäre akzeptabel

Experte warnt vor rechtsradikaler Strahlkraft der Garnisonkirche

  • Matthias Krauß, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Der »Ruf aus Potsdam« zum Wiederaufbau der Garnisonkirche sollte verstummen und die Garnisonkirchen-Stiftung selbst eine diesbezügliche Satzungsänderung vornehmen. Das forderte am Donnerstag der Architekturprofessor Philipp Oswalt in Potsdam. Er begründete es damit, dass sich die Stiftung zwar von rechtsradikalen Aktivisten distanziert habe, nicht jedoch von wesentlichen Teilen ihrer Sichtweise auf den Neubau der Garnisonkirche. Noch immer würde deren Auffassung Einfluss auf das Projekt haben, und noch immer sei dieser Einfluss auf die Potsdamer Stadtgesellschaft unübersehbar. Es tue not, sich »von geschichtsrevisionistischen Äußerungen zu distanzieren«.

Kriegsschuld-Eingeständnis umgangen

Ihm als Kritiker würde der Vorwurf des »Wirklichkeitsverlustes« oder sogar der Verschwörungstheorie gemacht, fuhr Oswalt fort. Tatsächlich aber finde sich nach wie vor der rechtsradikale Max Klaar, einst Bundeswehroffizier, in den Dokumenten und der Argumentationsweise der Aufbaubefürworter wieder. Nicht zuletzt deshalb, weil im »Ruf aus Potsdam zum Bau der Garnisonkirche« – im Unterschied zum »Ruf aus Dresden zum Aufbau der Frauenkirche« – eben ein Eingeständnis der deutschen Kriegsschuld bewusst umgangen worden sei.

Der Professor legte verschiedene Dokumente vor, die das aus seiner Sicht belegen. So warf er dem evangelischen Altbischof Wolfgang Huber vor, vor 2015 eine klare Abgrenzung gegenüber Klaar persönlich verhindert zu haben, »obwohl man gewusst hatte, mit wem man es zu tun hat«. Die damalige Pfarrerin der Garnisonkirche habe Gottesdienste für Klaar und seine Spendenaktion durchgeführt. »Erst 2015 begann die Distanzierung.«

Kirche begrüßte NS-Machtergreifung

Weitere Ergebnisse der Forschung belegen aus Oswalts Perspektive, dass es auch eine Einflussnahme des einstigen Bundeswehr-Generals, späteren Innenministers Brandenburgs und Schirmherren des Wiederaufbaus, des inzwischen verstorbenen Jörg Schönbohm (CDU), gegeben habe mit dem Ziel, ein Versöhnungszentrum aus dem Neubau nun gerade nicht zu machen. Bis Kriegsende sei in der Kirche Untertanengeist und Obrigkeitshörigkeit gepredigt worden.

Die Inszenierung des »Tages von Potsdam« 1933 sei alles andere als gegen den Willen der Kirchen-Oberen erfolgt. Von einem »Missbrauch der Kirche«, wie allenthalben zu hören sei, könne keine Rede sein. Vielmehr habe der damalige Superintendent Otto Dibelius in seiner zeitgenössischen Predigt die NS-Machtergreifung begrüßt. So würden noch heute letztlich Anhänger und Unterstützer Hitlers zu dessen Opfern umgefälscht.

Was immer die aktuelle Begleitmusik zum Wiederaufbau sei, fuhr der Experte fort, er trage einen hoch nproblematischen »ikonischen« Charakter. Es entstehe ein rechtes »Schlüsselsymbol«, das geistige Brüche zu vermeiden trachte und als solches schon heute von Rechtsextremisten »begrüßt und benutzt« werde. Oswalt verwies auf begeisterte Äußerungen des einstigen brandenburgischen AfD-Fraktionschefs Andreas Kalbitz und auf den Aufruf zu einem rechtsradikalen »Stadtspaziergang«, der an der Garnisonkirchen-Baustelle seinen Ausgangspunkt hatte. Nicht im Widerspruch dazu stehe, dass Rechtsradikale sich seit einigen Jahren positiv auf den »Widerstand des 20. Juli« beziehen: »Das ist in diesen Kreisen nicht unüblich.«

Noch besitze das Bauwerk keine allzu große Strahlkraft, doch ganz anders werde es kommen, wenn das Baugerüst erst einmal gefallen sei, sagte Oswalt voraus. Bezogen auf die Potsdamer Verantwortlichen verstehe er nicht, »wie unbekümmert man damit umgeht«.

Er äußerte sein Unverständnis gegenüber der Entscheidung der Kultur-Staatsministerin Claudia Roth (Grüne), für den Weiterbau erneut Steuer-Millionen freizugeben. Auch wenn sie sich auf einen Bundestagsbeschluss berufe. Abgesehen von der fragwürdigen Finanzierung bestehe die gesetzliche Vorschrift, dass der Bund nur die Errichtung solcher Einrichtungen fördert, deren weitere Finanzierung gesichert sei.

Im Falle der Garnisonkirche, deren Betrieb schätzungsweise eine halbe Million Euro im Jahr kosten werde, sei gar nichts gesichert. Die Evangelische Kirche werde es mit Sicherheit nicht tun. Oswalt: »Auch der Bundestag steht nicht über dem Gesetz.« Frau Roth sei mit anderen geschichtspolitischen Zielen angetreten. »Sie wird es zu verantworten haben«, so der Architekturprofessor.

Kuppel und Schmuck weglassen

An einen Baustopp oder einen Abriss in gegenwärtig fortgeschrittenem Baustadium glaube er auch nicht, setzte Oswalt hinzu. Das Schlimmste könnte ihm zufolge verhindert werden, wenn der Nachbau in seinem Äußeren eben nicht identisch mit der einstigen Garnisonkirche wäre. Diese Chance bestehe, wenn auf die Turmkuppel und den Militärschmuck verzichtet würde. Das Bild des Turms, wie er kriegsbeschädigt 1945 bis 1968 das Potsdamer Stadtbild mitbestimmt hatte, könnte dem Professor zufolge ein Bezugspunkt sein.

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