Der Nordwesten soll blühen

Wittenberge hofft auf mehr Anziehungskraft durch Landesgartenschau 2027

  • Matthias Krauß, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.
Eines der Wahrzeichen von Wittenberge ist der Uhrenturm des ehemaligen Veritas-Nähmaschinenwerks.
Eines der Wahrzeichen von Wittenberge ist der Uhrenturm des ehemaligen Veritas-Nähmaschinenwerks.

Auf der Suche nach Lutherstadt Wittenberg sind schon Menschen in Wittenberge gestrandet, weil ihnen der kleine Unterschied in der Reiseplanung nicht aufgefallen ist. Nun aber wird Wittenberge, das wie auch die Lutherstadt an der Elbe liegt, Kurs auf jede Menge freiwillige Besucher nehmen. Die Bewerbung der Stadt im Nordwesten Brandenburgs um die Landesgartenschau 2027 war erfolgreich. Der letzte große Konkurrent – Spremberg in der Lausitz – wurde kürzlich ausgestochen. Die Laga wird unter dem Motto stehen: »Stadt. Land. Elbe. Wittenberge blüht auf«.

Im Vier-Jahres-Turnus finden die Landesgartenschauen eigentlich statt. Am vergangenen Samstag feierte man in Beelitz, wo sie dieses Jahr stattfindet, Halbzeit. Mit mehr als 260 000 Gästen seit der Eröffnung im April sehen die Organisatoren die Erwartungen übertroffen. Eigentlich hätten also 2026 die Laga-Tore in Wittenberge öffnen sollen. Doch wie es in einer Erklärung heißt: »Die Landesregierung folgt dem fachlichen Vorschlag der Auswahlkommission und beschloss – vor dem Hintergrund der aktuellen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen und der für eine geordnete Vorbereitung erforderlichen Zeit –, die achte Landesgartenschau im Jahr 2027 durchzuführen.« Also sind es nun fünf Jahre bis zur nächsten Laga.

Wittenberge musste sich gegen zwei Mitbewerber durchsetzen: gegen Spremberg, das sich nun schon zum vierten Mal vergeblich um die Ausrichtung der Laga bemüht hat, und den Landkreis Märkisch-Oderland. Letzterer plante erstmals eine nicht auf einen Ort konzentrierte Landesgartenschau. Vorbild dabei war vermutlich die Bundesgartenschau Brandenburg/Havel, in die auch ein Schweif von Kommunen über Premnitz bis Rathenow einbezogen war. Damit war erstmalig die Buga nicht auf einen einzigen Ort beschränkt.

Im Wittenberger Bewerbungstext heißt es: Die Stadt in der Prignitz »lädt ausdrücklich die Region und das ganze Land zum Mitmachen ein«. Wittenberge grenzt an das Unesco-Biosphärenreservat »Flusslandschaft Elbe« und hat knapp 17 000 Einwohner. Wie auch Konkurrent Spremberg hat es in der Vergangenheit schon einmal den Brandenburg-Tag ausgerichtet. Beide Städte blicken auf eine bedeutende Industriegeschichte zurück und waren zu einer grundsätzlichen Neuorientierung gezwungen. Denn sie hatten nach 1990 mit Rückbau, Stilllegung und Bevölkerungsverlust zu kämpfen.

Ist diese finale Entscheidung der Jury der Tatsache geschuldet, dass Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann (parteilos) gleichzeitig Präsident des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes ist, wie im unterlegenen Spremberg manche argwöhnen? In Potsdam mutmaßt man eher, den Ausschlag hätte gegeben, dass die Lausitz ohnehin bei ihrem Abschied von der Kohlewirtschaft mit erheblichen Fördermitteln rechnen kann. Da sei der Zuschlag für Wittenberge eine Art ausgleichende Gerechtigkeit gewesen.

Im Zuge der Laga will Wittenberge den alten jüdischen Friedhof wieder anlegen, eine Waldbühne errichten, mit einer Laga-Fahrradroute die Gäste zur in der Innenstadt nicht so präsenten Elbe führen und die Blumenhalle nahe dem Eisenbahnmuseum einrichten. Auch die Klimakrise wird thematisiert. Regenwasserspeicher sollen besichtigt werden können sowie Begrünungen an Mauern und Gebäuden. Eine Vielfalt an Bäumen soll dem Besucher nahebringen, welche Stadtbäume den Klimawandel besser vertragen als andere.

Schon vor ihrer Bewerbung hat die Stadt sich das Lob des Landesverbandes der Gartenfreunde gesichert, denn das Konzept bezieht auch die Kleingärtner mit ein. Ein Besuch der ältesten Kleingartensparte »Herrenwiesengrund« soll während der gesamten Öffnungszeit der Laga kostenlos möglich sein.

Einstimmig hat die Stadtverordnetenversammlung dafür gestimmt, den kommunalen Eigenanteil von rund 1,67 Millionen Euro aufzubringen. Bürgermeister Hermann kann der zeitlichen Verlegung der Laga um ein Jahr etwas Positives abgewinnen: »Die längere Vorlauffrist durch die Verschiebung um ein Jahr kommt uns entgegen angesichts der aktuellen Probleme im Bau- und Handwerksbereich.« Daneben will die Stadt Projekte vorantreiben, die nicht direkt zur Laga gehören, aber für deren Erfolg mitentscheidend sind – wie die Sanierung des historischen Bahnhofsgebäudes und dessen Umgestaltung zu einem sozialen und Gewerbezentrum. Und wenn sich in fünf Jahren wieder einmal Menschen auf der Luther-Suche nach Wittenberge verirren, dann sollen sie es nicht bereuen müssen.

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