- Kommentare
- Gas-Notfallplan
Putins Interesse
Aert van Riel zu den Folgen der Gaskrise in der Europäischen Union
Russland sitzt beim Streit um die Gasversorgung am längeren Hebel. Das Land könnte die Lieferungen nach Westen wohl weiter reduzieren. Die EU-Staaten müssten dann im Winter ihren Sparplan umsetzen und im schlimmsten Fall die Heizungen runterdrehen. Russland profitiert von den stark steigenden Energiepreisen und kann mit den Einnahmen weiter den Krieg in der Ukraine finanzieren. Es gibt noch andere Kunden auf der Welt. China hat inzwischen Deutschland als größten Importeur russischer fossiler Brennstoffe überholt. Außerdem nimmt der russische Präsident Wladimir Putin genüsslich zur Kenntnis, dass die Europäische Union in der Energiepolitik nicht so einig ist, wie die Bundesregierung gerne behauptet. Beim Gas-Notfallplan, auf den sich die EU nun geeinigt hat, haben viele europäische Länder Ausnahmen für sich erreicht. Ungarn, das auf eigene Faust Gasgeschäfte mit Russland macht, schert offensichtlich komplett aus. In der EU wird nicht solidarisch gehandelt, sondern jedes Land verfolgt seine eigenen Interessen.
Der Zusammenhalt in dem Staatenverbund wird weiter bröckeln, wenn rechte Kräfte erstarken. Vor der Wahl in Italien im September liegen neofaschistische Parteien vorne. Auch in anderen EU-Staaten könnten ihre Gesinnungsfreunde Auftrieb bekommen. Bei allen Differenzen ist der gemeinsame Nenner der europäischen Rechten, dass sie die EU in ihrer jetzigen Form zerstören und zum alten System der Nationalstaaten zurückkehren wollen. Das entspricht auch Putins Interessen. Den Rechten könnten nicht nur Wirtschaftskrise und Inflation, sondern auch ein für viele Menschen kalter Winter helfen. Die Antwort darauf können nur umfassende Hilfen für diejenigen sein, die am stärksten unter der Krise leiden. Ohne einen Preisdeckel für Gas wird es nicht gehen.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.