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Am Gleis zur Heide

Nächste Etappe zur Wiederinbetriebnahme der Stammstrecke der Heidekrautbahn eingeleitet

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Seit über 20 Jahren arbeitet die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) auf die Wiederinbetriebnahme ihrer Stammstrecke von Berlin-Wilhelmsruh ins brandenburgische Basdorf für den Personenverkehr hin. Noch bis Anfang September liegen die Unterlagen im Planfeststellungsverfahren für die Ertüchtigung der rund 14 Kilometer langen Verbindung aus. Wenn alles wie geplant läuft, sollen zum Fahrplanwechsel Ende Dezember 2024 wieder im Stundentakt Personenzüge auf der Strecke rollen – 63 Jahre nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 und 35 Jahre nach deren Fall.

Die Verbindung wurde ein Opfer der deutschen Teilung nach dem Krieg, obwohl sie vollständig auf dem Territorium der DDR und Ost-Berlins lag, allerdings haarscharf an der Grenze. Der S-Bahnhof Berlin-Wilhelmsruh war bereits West-Berliner Territorium, der daneben befindliche Bahnhof der Heidekrautbahn war im Osten. Er wurde nach dem Mauerbau abgerissen, weil er direkt im Grenzgebiet lag.

Bereits 1950 wurde eine neue Verbindung von Basdorf nach Berlin-Karow eröffnet, sie diente zunächst nur der Umfahrung West-Berlins im Güterverkehr. Seit Weihnachten 1961 wird sie von den Personenzügen der Heidekrautbahn genutzt, bis heute. Güterzüge fuhren und fahren auf dem Großteil der Strecke, früher, um die Bergmann-Borsig-Werke anzubinden, inzwischen für den Eisenbahnbauer Stadler in Pankow.

Nur die letzten paar hundert Meter bis zum Bahnhof Wilhelmsruh sind also ein echter Neubau. Die NEB hatte dafür bereits im Jahr 2000 das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Einen offiziellen Planungsauftrag der Länder Berlin und Brandenburg gab es dafür nicht. Mal wollte das eine Land die Wiederinbetriebnahme, mal das andere, mal wollten beide nicht. Seit 2010 gibt es Baurecht für den Abschnitt, der wie die Nordbahn in dem Abschnitt auf einem Damm entstehen soll. Denn die Heidekrautbahn sollte in die Gleise der Deutschen Bahn einfädeln können und so den Bahnhof Gesundbrunnen erreichen.

Der geschickt und beharrlich aufgebaute Druck wirkte. 2020, kurz bevor das Baurecht zu verfallen drohte, gab es einen feierlichen Spatenstich für das Vorhaben in Wilhelmsruh. Schnell wurde das Projekt in das gemeinsame Ausbauprogramm für Eisenbahninfrastruktur i2030 der beiden Länder aufgenommen. Die Heidekrautbahn erhielt den offiziellen Planungsauftrag für die Wiederinbetriebnahme der Stammstrecke im Personenverkehr.

Ende 2023 hätte ursprünglich alles fertig sein sollen, der Termin wurde inzwischen schon um ein Jahr verschoben. »Es ist ambitioniert, aber wir verfolgen den Zeitplan weiterhin«, sagt NEB-Geschäftsführer Detlef Bröcker zu »nd«. Er hofft auf Baurecht im nächsten Sommer, für den Bau sind allerdings zwei Jahre veranschlagt.

»Endlich konnten die Planfeststellungsunterlagen für die Stammstrecke der Heidekrautbahn ausgelegt werden. Zeit wird es, vermutlich wird der Zeitplan der Inbetriebnahme ab Dezember 2024 daher nicht mehr zu halten sein«, sagt Kristian Ronneburg zu »nd«. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Denn auch das Planfeststellungsverfahren braucht schon mehr Zeit als ursprünglich vorgesehen. Manche direkten Anwohner der Strecke waren wenig angetan von der Wiederaufnahme eines Taktverkehrs. Auch dass die Gleise künftig nur noch an offiziellen Bahnübergängen gequert werden können, gefällt nicht jedem. Zwei Übergänge für Rad- und Fußverkehr wurden zusätzlich eingeplant, einer am Märkischen Viertel, der andere in der Gemeinde Mühlenbecker Land, damit der S-Bahnhof Mühlenbeck auch vom nordwestlichen Teil von Schildow gesichert ist.

Und auch der Lärm wird geringer ausfallen, als manche befürchten. Denn das gesamte Netz der Heidekrautbahn soll ab Ende 2024 mit Wasserstoffzügen befahren werden. Sieben Triebzüge des Typs Mireo Plus H sind beim Hersteller Siemens bestellt. Eine Brennstoffzelle wandelt die Energie aus dem Wasserstoff in Strom um, der die Elektromotoren antreibt. »Elektrisch angetriebene Fahrzeuge sind leiser als Fahrzeuge mit Verbrenner- beziehungsweise Dieselantrieb«, sagt Geschäftsführer Bröcker.

Das Unternehmen Enertrag soll den »grünen Wasserstoff« in Schmachtenhagen bei Oranienburg vor allem aus überschüssigem Windstrom produzieren. Die Umstellung von Diesel auf Wasserstoff auf der Heidekrautbahn reduziert den CO₂-Ausstoß jährlich um rund drei Millionen Kilogramm und spart 1,1 Millionen Liter Diesel ein.

Stündlich soll künftig die neue Linie RB28 Berlin-Wilhelsmruh und Basdorf mit sieben Zwischenhalten verbinden. Dazu gehört der neue Halt Pankow-Park am ehemaligen Bergmann-Borsig-Werk, in Mühlenbeck soll zur S8 umgestiegen werden können. Der Bahnhof Rosenthal befindet sich unmittelbar am Rand des Märkischen Viertels. 1000 zusätzliche Fahrgäste pro Tag werden durch das geschätzt 30 Millionen Euro teure Vorhaben erwartet. Von Groß Schönebeck oder Wensickendorf nach Berlin-Karow soll wie gehabt die RB27 im gemeinsamen Abschnitt bis zu halbstündlich fahren. Ein Halbstundentakt nach Wilhelmsruh soll erst kommen, wenn auch von dort die Weiterführung bis Gesundbrunnen möglich ist – nicht vor 2030.

Ein Nachteil ist, dass die neuen Züge etwas kürzer sind als die heutigen. »Aktuell werden dreiteilige Talent-Fahrzeuge eingesetzt, die Kapazität der Mireo-Triebwagen liegt knapp 20 Sitzplätze unter der heutigen Kapazität von zirka 152 Plätzen. Das ist zwar rund zehn Prozent weniger, aber auch nicht deutlich weniger«, sagt Geschäftsführer Bröcker. »Als Ausgleich ist vorgesehen, mit dem vorhandenen größeren Fahrzeugpark einen Umlauf in Doppeltraktion zu fahren«, kündigt er an. Details seien mit den Aufgabenträgern noch abzusprechen.

»Mit der Heidekrautbahn stellen wir eine wichtige Berlin-Brandenburger Verbindung wieder her, die vor 61 Jahren gekappt wurde«, sagt Linke-Politiker Ronneburg. Die Reaktivierung der Stammstrecke sei dabei nur ein Baustein, den Schienenverkehr im Nordosten Berlins auszubauen. »Wir werden im Infrastrukturprojekt i2030 auch die Infrastruktur der Nordbahn erweitern und wir brauchen auch endlich eine echte Perspektive für den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Ostbahn«, so Ronneburg weiter. »Es ist nicht erklärbar, warum der Bund bisher einer Förderung dieses Projekts eine Absage erteilt hat.«

Die NEB hat noch weitere Pläne. Von Wensickendorf sollen die Züge wieder eine Station weiter bis in den Ort Zehlendorf fahren, woanders soll der Takt verdichtet werden. Wenn Detlef Bröcker so beharrlich wie bisher bleibt, kann das etwas werden.

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